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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0316

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312

Kapitel V

als einen Akt eindeutiger Unterordnung anzuerkennen. Dudos Schilderung
des Aktes von St-Clair-sur-Epte bot hierfür einen historiographischen An-
satzpunkt.
Diese »normannische Propaganda« (Lot) wurde im Umfeld des französi-
schen Hofes durchaus ernst genommen. In der Mitte des 12. Jahrhunderts,
kurz nachdem sie Robert von Torigni erneut in die normannische Historio-
graphie eingeführt hatte, erscheint die Anekdote vom mißlungenen Fußkuß
in abgewandelter Form in der Historiographie der Abtei St-Martin-de-Tours:
»Rollo weigerte sich, den Fuß Karls zu küssen, wenn er ihn nicht an seinen
Mund heben dürfe. Als ihn seine Grafen ermahnten, den Fuß des Königs zur
Entgegennahme einer solchen Gabe zu küssen, anwortete er auf Englisch
st M goBt', was übersetzt heißt,nicht bei Gott'. Der König aber und die Seinen
machten ihn lächerlich und gaben seine Rede falsch wieder, indem sie ihn Bz-
goBz nannten«^.
Daß es gerade in St-Martin-de-Tours zu dieser pro-französischen Um-
deutung, ja geradezu spiegelbildlichen Umkehrung der Fußkußanekdote
kam, überrascht nicht: Tours lag zwar im anglo-angevinischen Herrschafts-
gebiet, das Kollegiatstift St-Martin stand jedoch unter dem unmittelbaren Ein-
fluß der französischen Könige, die hier seit dem 10. Jahrhundert die Stelle des
Abtes vertraten und diesen im Hoch- und Spätmittelalter eigentlich obsoleten
Laienabbatiat bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts behaupteten

3. Wechselseitige Anerkennung und Sicherung der
Nachfolge.
Die reziproke Funktion des

Für das 11. Jahrhundert sind, wie der einleitende Überblick gezeigt hat, keine
BozzzagM des normannischen Herzogs an den französischen König belegt, sei es
daß sie nicht geleistet wurden, sei es daß die Chronisten beider Seiten sie
nicht für wesentlich erachteten. Im 12. Jahrhundert dagegen wurde das Bozzzzz-
gz'zzzzz zum festen Bestandteil der englisch-französischen Beziehungen. Dabei

80 Petrus Bechini, Chronicon (ed. Salmon), S. 45 (Kanoniker von St-Martin-de-Tours 1143-
1160); Chronicon Sancti Martini Turonensis breve (RHF 8; ed. Bouquet/Delisle), S. 316: Hic
non est ^ZZgaatas peden! Caro/?' oscMiari aisi a<Z os säum ieaaref. Cum sai cona'tes ZZZaa! a?a?aoaereat,
at pezZem regis Zu acceptioaea? taati amaeris oscataretar, ZZagaa AagZica respoadif »ne sZ &Z goftz«,
t?ao<Z Zafgrprgfafar »non per &aar«. Rex aaro et sai tZericZeates et sermonem corraptc re/ereates ZZZaw
aocaaeraat Bigott; vgl. Georg WAITZ, Über Quellen zur Begründung der normannischen Herr-
schaft, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen. Nachrichten 6 (1866), S. 69-96. - »Propaganda«:
Loi 1904, S. 234 f.
81 FARMER 1991, S. 192 f., 198 und 206; GRIFFITHS 1987; VAUCELLE 1908, S. 168-182 und 198 f.;
vgl. Catalogue general des manuscrits des bibliotheques publiques de France. Departements,
Bd. 37.1 (Tours), Paris 1900, S. 17 (Eidformular für den französischen König als at?&as et caao-
aicas ZzaZas ecciesie &eati Martini Taroaeasis als Nachtrag des 12. Jahrhunderts in einem karo-
lingischen Evangeliar des Stiftes; Tours, Bibliotheque Municipale, Ms. 22, f. 277).
 
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