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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0051

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Einleitung

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ges zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen, antwortete Clifford
Geertz 1973, die eigentliche Aufgabe der deutenden Ethnologie sei es nicht,
»unsere tiefsten Fragen zu beantworten, sondern uns mit anderen Antworten
vertraut zu machen, die andere Menschen - mit anderen Schafen in anderen
Tälern - gefunden haben, und diese Antworten in das jedermann zugängliche
Archiv menschlicher Äußerungen aufzunehmemü In diesem Sinne soll im
folgenden versucht werden aufzuzeigen, wie mittelalterliche Beobachter das
Handeln der englischen und französischen Könige ihrer Zeit im Verhältnis
zueinander wahrnahmen, welche Deutungen die Kanzleien beider Könige
diesem Handeln unterlegten, und zu erschließen, an welchen Konzepten per-
sonaler und institutioneller Bindung die Könige selbst ihr Verhalten ausrich-
teten.

5. Forschungsstand und Quellengrundlage

Die englisch-französischen Beziehungen vor dem Hundertjährigen Krieg sind
bislang nicht Gegenstand einer monographischen Untersuchung geworden.
In seiner 1922 erschienenen Überblicksdarstellung »Frankreich und England
im Mittelalter« stellte Thomas Frederick Tout (1855-1929) die kulturellen,
administrativen und verfassungsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten beider
Reiche in den Mittelpunkt, nicht die Beziehungen der Könige zueinander.
Donald Queller klammerte in seinen Arbeiten über das mittelalterliche Ge-
sandtschaftswesen England und Frankreich weitgehend aus '. John Le Patou-
rel nahm in seinen Untersuchungen zwar die Verbindung Englands mit dem
Kontinent besonders in den Blick, konzentrierte sich jedoch auf die innere
Kohärenz des anglo-normannischen und anglo-angevinischen Herrschafts-
komplexes, dessen Potential zur Ausbildung eines den Kanal übergreifenden
Reiches (»cross-Channel state«) er nachzuweisen suchte.
Aufbauend auf seiner verwaltungsgeschichtlichen Darstellung der engli-
schen Diplomatie in den Jahren zwischen dem Vertrag von Paris und dem
Beginn des Hundertjährigen Krieges unternahm George Petty Cuttino 1986
den Versuch einer strukturierten Überblicksdarstellung der englischen Au-
ßenpolitik im Mittelalter (»English Medieval Diplomacy«), die vor allem für
den Vertrag von Paris und seine Folgen eine gute Einführung bietet.
Als einziger Historiker stellte Pierre Chaplais die englisch-französischen
Beziehungen des 13. und frühen 14. Jahrhunderts ganz in den Mittelpunkt
seiner Forschung. In mehreren umfangreichen, in großem Umfang unge-
drucktes Material erschließenden Aufsätzen gab er detaillierte Darstellungen

77 GEERTZ 1983, S. 43.
78 Donald E. QUELLER, The Office of Ambassador in the Middle Ages, Princeton 1967; vgl. auch
Donald E. QUELLER, Medieval Diplomacy and the Fourth Crusade (Collected Studies Series
114), London 1980.
 
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