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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0191

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Vertrag von Paris 1259

187

1. Die Sprache der Verhandlungen:
Liebe und Freundschaft, Verwandtschaft und Ehe

In den Verhandlungen und Herrschertreffen der zweiten Hälfte des 13. und
der ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts dominierte die Sprache freund-
schaftlicher und verwandtschaftlicher Bindung. Eheverbindungen schufen
ein kommunikatives Netzwerk, das auch in Zeiten von Konflikt und Kon-
frontation jederzeit die Aufnahme von Verhandlungen ermöglichte. Bei per-
sönlichen Begegnungen versicherten sich die Könige ihrer Liebe und freund-
schaftlichen Verbundenheit, erkannten sich als gleichrangig an und erwiesen
sich wechselseitig alle erdenklichen Ehrungen. Die lehenrechtliche Unterord-
nung wurde zwar festgeschrieben in den Verträgen und symbolisch ausge-
drückt im das nach jedem Herrscherwechsel zu leisten war, blieb
jedoch in der direkten Kommunikation unausgesprochen. Gemeinsam bilde-
ten diese Vorstellungen und Verhaltensformen einen komplexen Diskurs per-
sonaler Bindung und symmetrischer Kommunikation, der es ermöglichte,
Konflikte auszublenden und Beziehungen zu stabilisieren. Seine soziale Basis
bildete das Netzwerk verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen beiden
Königen, das sich seit den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts herausbilde-
te.

1. a. Die Bedeutung der Eheverbindungen für das
englisch-französische Verhältnis im 13. Jahrhundert
Während die Bedeutung von »Ehebündnissen« als Ausdruck langfristig an-
gelegter politischer Aktionsgemeinschaften im allgemeinen eher überschätzt
wird, spielen in der Darstellung des englisch-französischen Verhältnisses die
Eheverbindungen, die seit 1236 beide Höfe miteinander vernetzten', meist
nur eine geringe Rolle. In der Tat entstanden sie erkennbar nicht aus dem
Streben nach Begründung einer politischen Allianz. Nicht Nachkommen bei-
der Könige wurden miteinander verheiratet, sondern vier Schwestern heira-
teten die beiden Könige und ihre Brüder: 1234 arrangierte Blanche von Kasti-
lien für ihren neunzehnjährigen Sohn Ludwig IX. eine Ehe mit der sechs Jahre
jüngeren Margarete von der Provence, der ältesten Tochter Graf Raimund Be-
rengars V. aus seiner 1220 geschlossenen, söhnelos gebliebenen Ehe mit Bea-
trix von Savoyen". Durch die Verbindungen, die seine drei anderen Töchter

10 Zur politischen Bedeutung der englischen und französischen Königinnen des 13. Jahrhun-
derts vgl. John Carmi PARSONS, Mothers, Daughters, Marriage, Power. Some Plantagenet
Evidence, 1150-1500, in: Medieval Queenship, hg. v. John Carmi Parsons, New York 1993, S.
63-78; Andre POULET, Capetian Women and the Regency. The Genesis of a Vocation, in:
Medieval Queenship, hg. v. John Carmi Parsons, New York 1993, S. 93-116.
11 Lydwine SAULMER/Brigitte MAURICE, Le mariage de Saint Louis ä Sens en 1234. Exposition
realisee par les Musees de Sens a l'occasion du 750e anniversaire, Sens 1984.
 
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