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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0190

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186

Kapitel III

französischen Königs an den Kosten der Eroberung Siziliens zum Ziel hatten.
Die einzige Gegenleistung, die ihm Heinrich III. in seiner bedrängten Lage
bieten konnte, war ein weitgehender Verzicht aut die Wiedergewinnung der
verlorenen Besitzungen seiner Vorgänger auf dem Festland.
Sein Handlungsspielraum war allerdings in mehrfacher Hinsicht einge-
schränkt: Eine jeden Streit in der Zukunft ausschließende und die französi-
sche Seite zufriedenstellende Verzichtserklärung konnte Heinrich nur ge-
meinsam mit seinen Erben, d.h. mit seinen Söhnen, seinem Bruder Richard
und seiner mit Simon von Montfort verheirateten Schwester abgeben. Um
seine Stellung in England nicht weiter zu gefährden, bedurfte er für Entschei-
dungen von so weitreichender Bedeutung entsprechend den Provisionen von
Oxford zudem der Zustimmung der baronialen Opposition.
Die englischen Barone standen einem weitere kontinentale Unternehmun-
gen ihres Königs für die Zukunft ausschließenden Frieden grundsätzlich po-
sitiv gegenüber. Dagegen widersprach es ihren Interessen, wenn Heinrich III.
durch ihrer Kontrolle entzogene Geldzahlungen seinen finanziellen Spiel-
raum erweiterte. Mit Mißtrauen betrachteten sie sicherlich auch den Rückhalt,
den ein freundschaftliches und zudem lehenrechtlich abgesichertes Verhältnis
zum französischen König ihrem König verschaffen konnte.
Die Verhandlungen um die Zustimmung der übrigen Erbberechtigten und
um die Beteiligung der englischen Barone verzögerten den Vertragsabschluß
um mehr als ein Jahr, nachdem die im Juni 1257 aufgenommenen Verhand-
lungen bereits im Mai 1258 zu einem ratifikationsfähigen und inhaltlich mit
dem endgültigen Text weitgehend übereinstimmenden Vertragsentwurf ge-
führt hatten
In welcher Form bestimmte der Vertrag von Paris unter diesen Bedingun-
gen das Verhältnis der beiden Könige für die Zukunft? Ein Vergleich des
Vertragstextes mit den Berichten der erzählenden Quellen über die Ver-
handlungen und Begegnungen der Könige im Vorfeld des Vertragsabschlus-
ses läßt eine eigenartige Diskrepanz erkennen. Der Text des Vertrages von Pa-
ris definiert das Verhältnis des englischen zum französischen König in Kate-
gorien lehenrechtlicher Unterordnung. Matthaeus Paris und Jean de Joinville
dagegen betonen, daß verwandtschaftliche Liebe und persönliche Freund-
schaft den Umgang der Könige miteinander bestimmte. Wie ist dieser Unter-
schied zu erklären?

9 Pierre CHAPLAIS, The Making oi the Treaty of Paris and English Royal Style, in: English Hi-
storical Review 67 (1952), S. 235-253; GAVRILOVITCH 1899, S. 18-25.
 
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