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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0020

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16

Kapitel I

schienenen Studie »Fideles ou vassaux?« - die aus dem 10., 11. und 12. Jahr-
hundert überlieferten Quellen auf später lehenrechtlich konnotierte Begriffe
untersuchten und aufzeigten, daß sie sich - die Gültigkeit des Lehenrechtes
vorausgesetzt - zu einem regelkonformen Bild ergänzen ließen.
Da die Ergebnisse Lots der Vorstellung einer seit den karolingischen An-
fängen durchgehend bewahrten Einheit Frankreichs der Renaissance des
französischen Nationalismus um 1900 besser entsprach als die Vorstellung ei-
ner Neuentstehung des französischen Staates im späten 12. Jahrhundert, ver-
festigte sich seine Sicht bald zur herrschenden Lehret Dieses gesicherte Wis-
sen wagte auch Lemarignier 1945 nicht grundsätzlich infragezustellen. Er re-
lativierte es lediglich durch die These, die großen Kronvasallen hätten ihre
Lehensabhängigkeit vom französischen Königtum zwar stets anerkannt, bis
zum 12. Jahrhundert aber lediglich an den Grenzen ihres Herrschaftsberei-
ches (bn einen Hommage Je p%z'x geleistet, der keine Pflicht zur Heeres-
folge oder anderen Diensten nach sich zog .
In Vergessenheit geriet, daß Lot lediglich die Übertragbarkeit differen-
zierter lehenrechtlicher Vorstellungen auf die quellenarme Zeit des Hoch-
mittelalters aufgezeigt, keineswegs aber nachgewiesen hatte, daß sie in den
von ihm untersuchten Texten eine zentrale, das Verhältnis der Könige zuein-
ander strukturierende Rolle spielten^ Es stellt sich daher die Frage, ob
Heinrich III. und Ludwig IX. 1259 tatsächlich nichts anderes taten, als ein aus
dem Hochmittelalter tradiertes Verhältnis wiederherzustellen, das zu Beginn
des Jahrhunderts im Streit zwischen Philipp II. und Johann Ohneland zerbro-
chen war.

1. a. Auswirkungen der Verschriftlichung und Verrechtlichung
auf die Bedeutung des
Das Konzept der^'dcüYas und das JomagiMm als die rechtssymbolische Hand-
lung, durch die beide Könige ihr Verhältnis zueinander bestimmten, griffen
auf hochmittelalterliche Vorbilder zurück. War aber die Funktion, die ihnen
zukam, und die Deutung, die die Beteiligten ihnen gaben, dieselbe geblieben?
1202 hatte Philipp II. Johann Ohneland in einem formalisierten lehenrechtli-

5 Ferdinand LOT, Fideles oü vassaux? Essai sur 1a nature juridique du lien qui unissait les
grands vassaux ä ia royaute depuis le milieu du IXe jusqüä ia Rn du Xlle siede, Paris 1904;
Jacques FLACH, Les origines de I'ancienne France, Paris 1886-1917.
6 Zur Wiederentstehung des Nationalismus der Ranzösischen Rechten zwischen 1894 und
1904 vor dem Hintergrund von DreyRis-ARäre und Fashoda-Krise und zu seiner speziRsch
anRenglischen Ausrichtung, die sogar zu einer zeitweiligen KooperaRon mit Deutschland
Rihrte, vgl. Raymond POIDEVIN/Jacques BARIETY, Les relaRons Ranco-allemandes, 1815-
1975, Paris 1977, S. 154-156 und 165-169.
7 Jean Franqois LEMARIGNIER, Recherches sur l'hommage en marche et les frontieres feodales
(Travaux et memoires de l'Universite de Lille), Lille 1945.
8 Uromas N. BlSSON, The Problem of Feudal Monarchy. Aragon, Catalonia, and France, in:
Speculum 53 (1978), S. 460-478, S. 470.
 
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