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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0294

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290

Kapitel V

Stellung im 13. Jahrhundert die Annäherung des lehenrechtlichen an den
monarchisch-herrschaftlichen Diskurs ermöglichte.
Als Ritual konnte das ^zomayz'MTfz daher drei Funktionen erfüllen, von denen
keine co z'pso vorrangig war. Es demonstrierte die Unterordnung desjenigen,
der es leistete. Es erkannte ihn als rechtmäßigen Besitzer der Lehen an, für die
es geleistet wurde. Es konnte aber auch in Verbindung mit anderen Ritualen
eingebettet werden in die Inszenierung eines Friedens unter (nahezu) Gleich-
rangigen.
Alle drei Funktionen waren in den englisch-französischen Beziehungen
des 12. Jahrhunderts von tragender Bedeutung: Die in der Leistung des Izomzz-
yz'zzzrz für den Festlandsbesitz deutlich zum Ausdruck gebrachte Unterord-
nung des englischen unter den französischen König entlastete die Kommuni-
kation beider Könige von der ständigen Notwendigkeit der Rangdemonstra-
tion. Es diente der Sicherung der Nachfolge, indem es den französischen Kö-
nig auf die Anerkennung desjenigen Erben festlegte, von dem er das Izomayz-
Mz?z für den Festlandsbesitz entgegengenommen hatte. Es verpflichtete zudem
beide Könige zur Einhaltung ihrer Freundschaftsversprechen; in der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts ist dies seine wichtigste Funktion in den englisch-
französischen Beziehungen, was zugleich erklärt, warum Heinrich II. häufiger
und bereitwilliger als seine Vorgänger die Lehenshuldigung leistete.

1. Vom Ritual zur rechtssymbolischen Handlung:
Der Bedeutungswandel des an der Wende vom
Hoch- zum Spätmittelalter
Es ist das unvermeidbare Schicksal des Historikers, daß er die Begriffe und
Modelle, die er benötigt, um die Vergangenheit zu erklären, aus Nachbardis-
ziplinen entlehnt. Unser Verständnis politischer Handlungen wie etwa des
von Dudo beschriebenen »Aktes von St-Clair-sur-Epte« wird traditionell von
rechtsgeschichtlichen Überlegungen bestimmt. Nicht die Szene als Ganzes ist
dabei Gegenstand der Analyse, sondern einzelne ihrer Teile werden als sym-
bolische Gesten interpretiert, die auf bestimmte abstrakte Begriffe (z.B. Herr-
schaft, Unfreiheit, Vasallität) verweisen. Dieser Ansatz scheint auf den ersten
Blick tragfähig zu sein, da die verwendete Terminologie aus mittelalterlichen
Quellen abgeleitet und damit »historisch« ist.
Dies schließt jedoch nicht aus, daß die Art und Weise, in der wir hochmit-
telalterliche Texte lesen, wenn wir sie in der beschriebenen Weise interpretie-
ren, ein spezifisch moderner Zugriff ist. Wenn wir Dudos Bericht über den
Akt von St-Clair-sur-Epte mit den Worten zusammenfassen »Rollo leistete
dem westfränkischen König die Lehenshuldigung und wurde von ihm mit
der Normandie belehnt«, so ist es nicht die semantische Struktur der Szene,

7 KiM 1995,S.246-250.
 
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