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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0153

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England und Frankreich nach 1066

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nur auf fünf Jahre (bis zum 29. September 1255) geschlossen^. Im Juni 1255
wurde der Waffenstillstand nochmals um drei Jahre (ab 1. Oktober 1255)
verlängert, bevor 1257 die Verhandlungen einsetzten, die schließlich
1258/1259 zum Frieden von Paris führten" /

1. k. Der Vertrag von Paris 1259, der Hundertjährige Krieg und
das Ende der Verschränkung der Herrschaftsgebiete
Die Grundlagen der wechselseitigen Beziehungen wurden erst 1259 im Ver-
trag von Paris geklärt: Heinrich III. verzichtete auf die Normandie, Maine
und das Anjou, und versprach, für den ihm verbliebenen Festlandsbesitz in
Zukunft »angemessene Dienste« zu leisten. Dafür nahm Ludwig IX. seine Le-
henshuldigung als »Herzog von Aquitanien und paz'r & Fnmce« entgegen und
erkannte so seine Herrschaft über die Gascogne und die angrenzenden süd-
westfranzösischen Gebiete an"U
Der Vertrag von Paris schuf, indem er die hochmittelalterliche Verschrän-
kung der Herrschaftsgebiete des englischen und des französischen König-
tums auf verkleinerter territorialer Grundlage in lehenrechtlich vereindeu-
tigter Form wiederherstellte, eine Friedensordnung, die für mehrere Jahr-
zehnte Bestand haben sollte, zugleich aber die Grundlagen für den Hundert-
jährigen Krieg. Beide Könige waren nun annähernd gleich stark, und ihre
Reiche standen sich in wechselseitiger strategischer Umklammerung gegen-
über. Der englisch-aquitanischen Zange, die im Bündnis mit Flandern Frank-
reich von Norden und Süden umfaßte, entsprach seit 1295 die französisch-
schottische Allianz" die in gleicher Weise geeignet war, den englischen Kö-

275 AN Paris, JJ 26, 324; vgi. GAVRILOVITCH 1899, S. 7, Anm. 4. Zu Verstößen gegen den Waffen-
stillstand während des Aufstands der Barone der Gascogne gegen die Statthalterschaft Si-
mons von Montfort 1251/52 vgl. Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 264; MADDICOTT
1994, S. 106-124, v.a. S. 114.
276 Layettes du Tresor des chartes (ed. Teulet et al.), Bd. 3, Nr. 4178; vgl. MADDICOTT 1994, S. 138
und 140. Auch als die Verhandlungen bereits zu einem Konsens über den Vertragstext ge-
führt hatten, vereinbarten beide Seiten im Mai 1258 nochmals eine Verlängerung des am 29.
September auslaufenden Waffenstillstandes bis zum 27. April 1259; Layettes du Tresor des
chartes (ed. Teulet et al.), Bd. 3, Nr. 4418, dazu Rymer, Foedera^ (ed. Record Commission),
Bd. 1, S. 371; vgl. GAVRILOVITCH 1899, S. 25.
277 Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 305; Layettes du Tresor des chartes (ed. Teulet et
al.), Bd. 3, Nr. 4554; vgl. CUTTINO 1985, S. 6-15; GAVRILOVITCH 1899; zusammenfassend jetzt
auch Martin KAUFHOLD, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen
und Entscheidungsstrukturen 1230-1280 (MGH Schriften 49), Hannover 2000, S. 83-97.
278 Schon 1173 hatte sich König Wilhelm von Schottland in seiner Auseinandersetzung mit
Heinrich 11. mit dem französischen König verbündet. Zu einer Konstante der westeuropäi-
schen Politik aber wurde die schottisch-französische Allianz erst 1295, als Eduard I. von John
Balliol kraft seiner Lehensherrschaft das Recht beanspruchte, schottische Appellationen vor
sein Gericht zu ziehen und Heeresfolge gegen Frankreich zu verlangen. Ähnlich wie Eduard
I. selbst in Aquitanien verweigerte John Balliol diese Unterordnung und schloß - unter Aus-
nutzung des gerade eskalierten englisch-französischen Konflikts um die Gascogne - ein
Bündnis mit Philipp IV. von Frankreich. Diese schon bald als »Auld Alliance« bezeichnete
Verbindung entsprach in besonderem Maße den Interessen beider Seiten, da sie sowohl die
 
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