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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0397

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Gleichrangigkeit in der Unterordnung

393

sischen Übersetzung des frühen 16. Jahrhunderts überlieferten Erzählung aus
dem Artus-Zyklus, kommt König Perion als Fremder an den Hof König Ga-
rinters. Dieser schließt mit ihm Freundschaft und verbringt fortan jede Nacht
mit seinem Gast, bis ihn seine Tochter, die sich in Perion verliebt hat, durch
eine Fist davon abbringt. Sie erklärt ihrem Vater, sie habe erfahren, daß Pe-
rion lieber allein schlafe. FJmständlich entschuldigt sich dieser daraufhin bei
Perion dafür, daß er ihm nachts keine Gesellschaft mehr leisten werde, da er
zum Gebet und auch aus anderen Gründen früh aufstehen müsse (/'ay ayn's &
me leuer a ITieare & mafmes, zynz m'a^äzcf penser z?ae potzr zze uozzs jäzm ennay Je
mezilear sera, z?ae je uoas jäalce coazyaz'yaz'e poar Je coaüzer)^^.
Gleichberechtigt und im Wechselspiel der Ehrungen sich gegenseitig er-
gänzend standen in den englisch-französischen Beziehungen des 12. Jahr-
hunderts der Diskurs herrschaftlicher Unterordnung und die Formensprache
freundschaftlicher Rangfreiheit nebeneinander. Nicht die Durchsetzung le-
henrechtlicher Prinzipien bestimmte die Auseinandersetzungen des Jahres
1187, sondern die Sorge der Beteiligten um ihre Ehre: Indem er sich anstelle
seines Vaters vor ihm demütigte, stellte Richard Philipps Ehre wieder her und
erkannte demonstrativ seinen Rang an. Damit aber versetzte er Philipp in die
Lage, ihm seinerseits uneingeschränkt Ehre zu erweisen. Welcher der beiden
komplementären Diskurse wichtiger war, entschied die Position der Beteilig-
ten: Worte und Gesten der Unterordnung konstituierten die Ehre des Herrn,
Worte und Gesten der Freundschaft dagegen die Ehre des Gefolgsmanns. Zu-
sammen bildeten sie ein System, dessen Elemente nur in ihrer funktionalen
Wechselbeziehung verständlich sind. Dieses System geriet jedoch aus dem
Gleichgewicht, als sich an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter der le-
henrechtliche Diskurs und mit ihm der Gedanke des seruztzzzm in den
Vordergrund schob.

6. statt
Der Wandel der Wahrnehmungsmuster am Ende des 12.
Jahrhunderts

Die Grundlagen der englisch-französischen Beziehungen im Spannungsfeld
von ?zo??Myz'M77i und azzzzcz'ü'a, wie sie sich unter Heinrich II. ausgebildet hatten,
wurden am Ende des 12. Jahrhunderts brüchig. Zum einen schwand durch
die Konsolidierung der französischen Krondomäne und die gleichzeitige
Schwächung des englischen Königtums während der Gefangenschaft Ri-
chards I. der anglo-angevinische Machtvorsprung, der die Unterordnung bis

315 Amadis de Gaula (Societe des textes franqais modernes; ed. Vaganay/Giraud), S. 9; vgl. auch
Garci Rodriguez de Montalvo, Amadis de Gaula (Letras hispänicas; ed. Cacho Blecua), S. 235
(spanische Fassung).
 
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