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Kapitel V
dahin als rein formal markiert hatte. Zum anderen aber gewannen innerhalb
weniger Jahre die in den Jahrzehnten zuvor an den hohen Schulen entwik-
kelten juristischen Denk- und Wahrnehmungsmuster Einfluß auf die prakti-
sche Politik.
Nach seiner Rückkehr vom 3. Kreuzzug zog Philipp II. die großen Barone
seines Reiches nicht mehr in seinen Rat, so daß dieser bald nur noch aus zzzztz-
fos und derz'cz reyz's bestand^. Sowohl die an straffe Unterordnung gewöhnten
Ritter der Krondomäne als auch vor allem die in begrifflich-systematischem
Denken und rechtlicher Abstraktion geschulten Kleriker brachten ein Ver-
ständnis lehenrechtlicher Abhängigkeit mit, das sich vom traditionellen
Treueverständnis der großen Barone wesentlich unterschied.
Deutlich erkennbar ist das Vordringen der neuen Wahrnehmungsmuster
in den englisch-französischen Verträgen. Im Vertrag von Messina erkannte
Richard 1191 an, daß er seinen Festlandsbesitz als tzozzio tzyzzzs des französi-
schen Königs zu Lehen trage szczzf prc&cessorcs sm' L Wie alle früheren Verträ-
ge enthielt jedoch auch der Vertrag von Messina keinen Verweis auf ein all-
gemeines Lehenrecht oder konkrete vasallitische Pflichten des englischen Kö-
nigs. Die Formel sz'czzf prc&cessores szzz hatte neben ihrer offenkundigen legiti-
mierenden zugleich eine einschränkende Funktion, indem sie auf die Traditi-
on des englisch-französischen Verhältnisses unter Heinrich II. verwies, aus
der sich positive Verpflichtungen des englischen Königs (etwa zur Heeresfol-
ge) nicht ab leiten ließen
Der Vertrag, den Richard I. und Philipp II. am 5. Dezember 1195 zwischen
Issoudun und Charost bei Louviers schlossen, enthielt keine Klausel, die den
englischen Festlandsbesitz als Lehen definierte oder auf ein allgemeines Le-
henrecht verwies. Die Schlußbestimmungen des Vertrages ließen jedoch zu-
mindest die Möglichkeit offen, daß der französische König für Lehensbesitz
des englischen Königs diejenigen Dienste fordern könne, »die diese Lehen mit
sich bringen« - eine Klausel, die (wie die Worte szczzf pzv&cossoivs nosfn im
Vertrag von Messina) auf die spezifische Stellung des englischen Festlandsbe-
sitzes verwies, wie sie sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts herausgebildet
hatte (non znbomz'hcniMS nos ... doyoodz's, zjzzz ad fRz'oardnm royem Anyd'eJ porü'nonf
noc zpse de nosbz's, szdoz's tanzen zzo&zs serozczz's, zjzzo rex Anytze noHs de&ef, de ^eodz's
zjzzos de noHs fenef, szczztyöo& apportanf)^.
316 John W. BALDWIN, The Government of Philip Augustus. Foundations oi French Royal Power
in the Middle Ages, Berkeley 1986, S. 101-136, insb. 104-107.
317 Recueil des actes de Philippe Auguste 1 (Chart, et dipl.; ed. Delaborde/Berger), Nr. 376 -
Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 5.
318 Das Schreiben, in dem Heinrich II. 1158 seine Verpflichtungen gegenüber Ludwig VII. auf-
zählte, schloß gleichfalls mit den Worten: s; ei de&eo seruitH, JHCM7M d.
319 Frz. Ratifikation (1196 Jan. 15, zwischen Gailion und Le Vaudreuil): Recueil des actes de
Philippe Auguste 2 (Chart, et dipl.; ed. Brunel/Delaborde/Petit-Dutaillis/Monicat), Nr. 517
- Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 6; engl. Ratifikation (1195, zwischen Gaillon
und Le Vaudreuil): Layettes du Tresor des chartes (ed. Teulet/Laborde/Berger/Delaborde),
Bd. 1, Nr. 431; vgl. Rogerus de Hoveden, Chronica (RS 51; ed. Stubbs), Bd. 4, S. 3; Rigordus,
Gesta Philippi Augusti (SHFP; ed. Delaborde), Kap. 107 f., S. 132-134; Radulfus de Diceto,
Kapitel V
dahin als rein formal markiert hatte. Zum anderen aber gewannen innerhalb
weniger Jahre die in den Jahrzehnten zuvor an den hohen Schulen entwik-
kelten juristischen Denk- und Wahrnehmungsmuster Einfluß auf die prakti-
sche Politik.
Nach seiner Rückkehr vom 3. Kreuzzug zog Philipp II. die großen Barone
seines Reiches nicht mehr in seinen Rat, so daß dieser bald nur noch aus zzzztz-
fos und derz'cz reyz's bestand^. Sowohl die an straffe Unterordnung gewöhnten
Ritter der Krondomäne als auch vor allem die in begrifflich-systematischem
Denken und rechtlicher Abstraktion geschulten Kleriker brachten ein Ver-
ständnis lehenrechtlicher Abhängigkeit mit, das sich vom traditionellen
Treueverständnis der großen Barone wesentlich unterschied.
Deutlich erkennbar ist das Vordringen der neuen Wahrnehmungsmuster
in den englisch-französischen Verträgen. Im Vertrag von Messina erkannte
Richard 1191 an, daß er seinen Festlandsbesitz als tzozzio tzyzzzs des französi-
schen Königs zu Lehen trage szczzf prc&cessorcs sm' L Wie alle früheren Verträ-
ge enthielt jedoch auch der Vertrag von Messina keinen Verweis auf ein all-
gemeines Lehenrecht oder konkrete vasallitische Pflichten des englischen Kö-
nigs. Die Formel sz'czzf prc&cessores szzz hatte neben ihrer offenkundigen legiti-
mierenden zugleich eine einschränkende Funktion, indem sie auf die Traditi-
on des englisch-französischen Verhältnisses unter Heinrich II. verwies, aus
der sich positive Verpflichtungen des englischen Königs (etwa zur Heeresfol-
ge) nicht ab leiten ließen
Der Vertrag, den Richard I. und Philipp II. am 5. Dezember 1195 zwischen
Issoudun und Charost bei Louviers schlossen, enthielt keine Klausel, die den
englischen Festlandsbesitz als Lehen definierte oder auf ein allgemeines Le-
henrecht verwies. Die Schlußbestimmungen des Vertrages ließen jedoch zu-
mindest die Möglichkeit offen, daß der französische König für Lehensbesitz
des englischen Königs diejenigen Dienste fordern könne, »die diese Lehen mit
sich bringen« - eine Klausel, die (wie die Worte szczzf pzv&cossoivs nosfn im
Vertrag von Messina) auf die spezifische Stellung des englischen Festlandsbe-
sitzes verwies, wie sie sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts herausgebildet
hatte (non znbomz'hcniMS nos ... doyoodz's, zjzzz ad fRz'oardnm royem Anyd'eJ porü'nonf
noc zpse de nosbz's, szdoz's tanzen zzo&zs serozczz's, zjzzo rex Anytze noHs de&ef, de ^eodz's
zjzzos de noHs fenef, szczztyöo& apportanf)^.
316 John W. BALDWIN, The Government of Philip Augustus. Foundations oi French Royal Power
in the Middle Ages, Berkeley 1986, S. 101-136, insb. 104-107.
317 Recueil des actes de Philippe Auguste 1 (Chart, et dipl.; ed. Delaborde/Berger), Nr. 376 -
Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 5.
318 Das Schreiben, in dem Heinrich II. 1158 seine Verpflichtungen gegenüber Ludwig VII. auf-
zählte, schloß gleichfalls mit den Worten: s; ei de&eo seruitH, JHCM7M d.
319 Frz. Ratifikation (1196 Jan. 15, zwischen Gailion und Le Vaudreuil): Recueil des actes de
Philippe Auguste 2 (Chart, et dipl.; ed. Brunel/Delaborde/Petit-Dutaillis/Monicat), Nr. 517
- Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 6; engl. Ratifikation (1195, zwischen Gaillon
und Le Vaudreuil): Layettes du Tresor des chartes (ed. Teulet/Laborde/Berger/Delaborde),
Bd. 1, Nr. 431; vgl. Rogerus de Hoveden, Chronica (RS 51; ed. Stubbs), Bd. 4, S. 3; Rigordus,
Gesta Philippi Augusti (SHFP; ed. Delaborde), Kap. 107 f., S. 132-134; Radulfus de Diceto,