Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0187

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die lehenrechtliche Festschreibung
des englisch-französischen Verhältnisses im
Vertrag von Paris 1259
Voraussetzungen und Folgen

Nach mehr als zweijährigen Verhandlungen ratifizierten Heinrich III. und
Ludwig IX. im Oktober 1259 den Vertrag von Paris. Ludwig IX. bestätigte
Heinrich III. den rechtmäßigen Besitz Aquitaniens und sagte ihm die Rückga-
be einer Reihe früher aquitanischer Gebiete zu, die östlich und nördlich an
das von Johann Ohneland und Heinrich III. nach 1204 behauptete Gebiet an-
grenzten. Außerdem versprach er ihm eine erhebliche Geldzahlung. Heinrich
III. dagegen verzichtete auf alle anderen Besitzungen, die seine Vorfahren im
12. Jahrhundert auf dem Festland innegehabt hatten, d.h. auf die Normandie
und das Anjou. Außerdem fand er sich zur Leistung des für Aqui-
tanien bereit und erkannte bis auf weiteres das Fortbestehen weitgehender di-
rekter Herrschaftsrechte Ludwigs IX. in den zurückgegebenen aquitanischen
Gebieten an.
Diese Festlegung des englisch-französischen Verhältnisses im Vertrag von
Paris stellte die aus dem 12. Jahrhundert tradierte Verschränkung der Herr-
schaftsrechte beider Könige wieder her und verstärkte sie sogar, indem sie
zahlreichen Adligen und geistlichen Institutionen, die nun unter englische
Herrschaft kamen, auch für die Zukunft den bestehenden französischen Kö-
nigsschutz garantierte. Die Bestimmungen des Vertrages von Paris standen
damit in diametralem Gegensatz zu den Regelungen des Vertrags von Cor-
beil, in dem Ludwig IX. und Jakob I. von Aragon im Jahr zuvor eine klare
Abgrenzung ihrer Herrschaftsbereiche vor genommen hatten*.
Es stellt sich daher die Frage, ob der Vertrag von Paris wirklich in erster
Linie auf eine langfristige Regelung des Verhältnisses beider Könige zueinan-
der zielte oder ob die konfliktträchtigen Bestimmungen Ergebnis eines Kom-
promisses waren, der aktuell drängende Fragen von eher kurzfristiger Be-
deutung regelte. Daß es zweckmäßig sein würde, die nach 1206 mit kurzen
Unterbrechungen immer wieder erneuerten Waffenstillstände irgendwann
durch einen Friedensvertrag zu ersetzen, war wahrscheinlich allen an den
Verhandlungen Beteiligten klar. Allerdings ist nicht erkennbar, daß sich die

1 Odilo ENGELS, Der Vertrag von Corbeil (1258), in: Spanische Forschungen der Görresgesell-
schaft. Erste Reihe: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 19 (1962), S. 114-
146.
 
Annotationen