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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0403

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Zusammenfassung

Von der normannischen Eroberung Englands 1066 bis zum Hundertjährigen
Krieg bestimmte der englische Festlandsbesitz die Grundlage der Beziehun-
gen zwischen dem englischen und dem französischen König. Die von den
Kapetingern in Fortsetzung karolingischer Traditionen beanspruchte Herr-
schaft über ganz Frankreich gab den begrifflichen Rahmen und die Katego-
rien vor, in denen die historiographischen Quellen des 12. wie des 13. Jahr-
hunderts das Verhältnis beider Könige erfaßten.
Die Konstanz der Begriffe und Konfliktlinien hat jedoch den Blick darauf
verstellt, daß sich die zugrundeliegenden Wahrnehmungsmuster zu eben die-
ser Zeit grundlegend wandelten. Das liowngzum gehörte zwar seit der Inte-
gration der Normannen in das westfränkische Reich zu den tradierten Ele-
menten der Formensprache, die das Verhältnis zwischen dem französischen
König und dem normannischen Herzog strukturierte. Es war jedoch im Ver-
lauf des Hochmittelalters, vor allem aber an der Wende zum Spätmittelalter
einem weitreichenden Funktions- und Bedeutungswandel unterworfen, der
mit den Kategorien des differenzierten Lehenrechts des 13. Jahrhunderts nicht
adäquat zu erfassen ist.
In welchen Formen sich die Eingliederung der im Gebiet von Rouen seß-
haft gewordenen normannischen Verbände in die Strukturen karolingischer
Herrschaft zu Beginn des 10. Jahrhunderts vollzog, ist nicht mehr im einzel-
nen rekonstruierbar. Erfaßbar ist jedoch das Bild, das der zu Beginn des 11.
Jahrhunderts am normannischen Hof schreibende westfränkische Kleriker
Dudo von St-Quentin von den Anfängen der Herrschaft seiner herzoglichen
Auftraggeber entwarf. Er beschreibt den Handgang, den Rollo, der Anführer
der Normannen, dem westfränkischen König leistete, stellt diesem jedoch ei-
nen durch den König und die Großen seines Reiches geleisteten Sicherheits-
eid gegenüber und betont so die Reziprozität der Bindung. Eine Deutung als
herrschaftliches Abhängigkeitsverhältnis schließt er aus, indem er schildert,
wie Rollo reagiert, als ihm zugemutet wird, sich zusätzlich durch einen Fuß-
kuß der königlichen Herrschaft zu unterwerfen.
Handgang und Sicherheitseid sind in der Darstellung Dudos komple-
mentär aufeinander bezogen. Die Formel des Eides entstammt der Sprache
der vor allem im Südfrankreich und Spanien des 10. und 11. Jahrhundert ver-
breiteten cozwcm'cnhac, die das Rangverhältnis der Vertragschließenden offen
lassen. Der Handgang ist seine Entsprechung, da Rollo noch nicht getauft ist
und daher keinen Eid leisten kann. Dagegen ist die Fußkußanekdote wahr-
scheinlich skandinavischen Ursprungs und aus einem Spottgedicht in der
Tradition der nordischen nzd-Verse herzuleiten, zu deren verbreiteten Moti-
ven Angriffe auf die Maskulinität eines Gegners gehören.
Eine eingehende Analyse des Textes zeigt, daß der Gegensatz von HnEs
und ein wichtiges Strukturelement in der Darstellung der nor-
 
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