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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0039

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Einleitung

35

Faßt man dagegen die Reiche mittelalterlicher Herrscher als »gesellschaft-
liche Einheiten mit einem identifizierbaren Gebiet und mit einer ... minde-
stens partiell .gestifteten' Ordnung«^, so scheint es durchaus möglich mit
Dieter Berg, »jede politische Aktion eines Herrschers, die über die Grenzen
des eigenen Machtbereiches hinausweist und höchst unterschiedliche Ziele
unter Verwendung eines geeigneten Instrumentariums politischer Kommuni-
kation verfolgt, als Akt außenpolitischen Handelns« zu bezeichnen^.
Als wesentliches Kriterium für die Anwendbarkeit des Begriffs »Außen-
politik« als heuristisches Konzept tritt in dieser Definition die Abgrenzbarkeit
der Herrschaftsgebiete hervor. Diese war allerdings im englisch-französischen
Verhältnis nicht uneingeschränkt gegeben, da der übergeordnete Herr-
schaftsanspruch des französischen Königtums die Herrschaftsrechte der eng-
lischen Könige auf dem Festland überlagerte.
Neben der erforderlichen Abgrenzung von »innen« und »außen« betont
die von Berg gegebene Definition aber zurecht, daß die Interaktionen zweier
Herrscher nur dann sinnvoll als »Außenpolitik« analysiert werden können,
wenn beide Seiten erkennbar Ziele und Strategien verfolgen, die über die si-
tuative Lösung punktueller Konflikte hinausgehen. Von dieser Annahme
ausgehend, hat Berg vor einigen Jahren die »auswärtige Politik« der anglo-
normannischen Könige zwischen 1066 und 1135 untersucht und versucht, aus
den oft spärlichen, in ihrer Chronologie wenig eindeutigen Quellenaussagen

sehen Geschichte 11.9). Marburg 1948. Dagegen versuchen neuere deutschsprachige Darstel-
lungen eine moderne Staatlichkeit evozierende Begrifflichkeit zu vermeiden. Lediglich für
das ausgehende Mittelalter hat sich dies in den letzten Jahren geändert; Martin KlNTZINGER.
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich.
Frankreich. Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds (Mittelalter-
Forschungen 2). Stuttgart 2000; Amd REITEMEIER. Außenpolitik im Spätmittelalter. Die di-
plomatischen Beziehungen zwischen dem Reich und England 1377-1422 (Veröffentlichun-
gen des Deutschen Historischen Instituts London 45), Paderborn/München 1999; vgl. auch
Karl Ferdinand WERNER, Die literarischen Vorbilder des Aimoin von Fleury und die Entste-
hung seiner 'Gesta Francorum', in: Medium aevum vivum. Festschrift für Walther Bulst, hg.
v. Hans R. Jauss, Heidelberg 1960, S. 69-103. Für das Hochmittelalter ist die außenpolitische
Begrifflichkeit in neueren deutschsprachigen Untersuchungen nur vereinzelt wieder aufge-
nommen worden; Wolfgang GEORGI, Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte.
Studien zur Außenpolitik 1159-1180 (Europäische Hochschulschriften III 442), Frankfurt am
Main/New York 1990; Dieter BERG, Imperium und Regna. Beiträge zur Entwicklung der
deutsch-englischen Beziehungen im Rahmen der auswärtigen Politik der römischen Kaiser
und deutschen Könige im 12. und 13. Jahrhundert, in: 'Bündnissysteme' und 'Außenpolitik'
im späteren Mittelalter, hg. v. Peter Moraw (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 5),
Berlin 1988, S. 13-38; Dieter BERG, England und der Kontinent. Studien zur auswärtigen Po-
litik der anglo-normannischen Könige im 11. und 12. Jahrhundert, Bochum 1987. Der west-
europäischen Forschung sind solche terminologische Bedenken dagegen weitgehend fremd;
vgl. z.B. George Peddy CUTTINO, English Medieval Diplomacy, Bloomington 1985; C. War-
ren HOLLISTER, War and Diplomacy in the Anglo-Norman World. The Reign of Henry I, in:
Anglo-Norman Studies 6 (1984), S. 72-88.
56 Hans BOLDT, Deutsche Verfassungsgeschichte. Politische Strukturen und ihr Wandel, Mün-
chen Ü990, S. 84.
57 BERG 1987, S. 4; zu den Chancen und Grenzen der Anwendbarkeit der von Berg gegebenen
Definition des Begriffs »Außenpolitik« vgl. aus der Perspektive der Spätmittelalterforschung
REITEMEiER 1999, S. 21-24.
 
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