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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0038

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34

Kapitel I

durch die verschiedenen sich im Verlauf des Hochmittelalters entfaltenden
und miteinander konkurrierenden Rechte (Landrecht/tfroif coMiuwzU, römi-
sches Recht/<Uoü AnY, Lehenrecht, kanonisches Recht) konstituiert wurde
und in welchem Maße daneben die auf Wahrung der Ehre ausgerichteten
Kommunikationsregeln der Adelsgesellschaft die Interaktion zwischen dem
König und den Großen seines Reiches bestimmten.
Aus der konkreten Diskussion um die Thesen Althoffs ergeben sich für die
folgende Untersuchung zwei übergeordnete Fragestellungen:
(a) Dürfen wir hochmittelalterlichen Herrschern eine an langfristigen Zie-
len und übergeordneten Leitvorstellungen orientierte »Politik« unterstellen
und von dieser Prämisse ausgehend königliches Handeln intentional deuten,
indem wir »von Fakten auf Motive« schließen, oder läuft ein solches Vorge-
hen auf eine Überdetermination hinaus? ^
(b) Erfaßt die Reduktion eines Herrschers auf eine reagierende, ganz von
den Spielregeln der Politik bestimmte Rolle die Handlungsspielräume des
Königtums angemessen oder beschreibt sie nur einen Teilaspekt herrscherli-
chen Handelns im komplexen Geflecht hochmittelalterlicher Ordnungsvor-
stellungen und handlungsleitender Motivationen?
Zu fragen ist daher im folgenden nach den Vorstellungen und den Hand-
lungsspielräumen, die das Konfliktverhalten der Könige und der übrigen Be-
teiligten bestimmten. Inwieweit war ihr Handeln durch verbindliche Regeln
determiniert? Folgte ihr Handeln erkennbar langfristiger Planung und über-
geordneten Zielen oder reagierten sie auf Konflikte, die an sie herangetragen
wurden?
Von der Antwort auf diese Frage hängt entscheidend ab, ob die englisch-
französischen Beziehungen im 12. und 13. Jahrhundert als Teil einer konsi-
stenten »Außenpolitik« beider Könige gefaßt werden können. In einem strik-
ten Sinne ist eine Unterscheidung von »Innenpolitik« und »Außenpolitik« nur
möglich in einem System selbständiger politischer Einheiten, die ihre Bezie-
hungen untereinander als Beziehungen zu anderen, souveränen Staaten re-
geln und die Gesamtheit der dazu erforderlichen staatlichen Vorgänge als ei-
nen abgrenzbaren, meist auch institutionell verselbständigten Politikbereich
betrachten^. Außenpolitik in diesem Sinne setzt moderne institutionalisierte
Staatlichkeit voraus /

53 Zur allgemeinen Problematik intentionaler Erklärungsmodelle und zur Überdetermination
scheinbar intentionaler Handlungen durch parallel verfolgte Ziele und nicht-intentionale
Rahmenbedingungen vgl. zusammenfassend LORENZ 1997, S. 96-125, insb. 113-122.
54 Dieter BERG, Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500 (Enzyklopädie deutscher Ge-
schichte 40), München 1997, S. 1.
55 In der älteren Forschung wurden die Begriffe Außenpolitik, zwischenstaatliche Beziehungen
und auswärtige Politik ohne Bedenken verwendet; vgl. z.B. Margret WlELERS, Zwischen-
staatliche Beziehungsformen im frühen Mittelalter. Pax, foedus, amicitia, fratemitas, Mün-
ster 1959; Hans Joachim KJRFEL, Weltherrschaftsidee und Bündnispolitik. Untersuchungen
zur auswärtigen Politik der Staufer (Bonner historische Forschungen 12), Bonn 1959; Ilse
SCHEIDING-WULKOPF, Lehnsherrliche Beziehungen der fränkisch-deutschen Könige zu ande-
ren Staaten vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (Marburger Studien zur älteren deut-
 
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