Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0030

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

15

großem/" Rügens vollständige Eroberung durch dänische Truppen 1168" erklärt sich
nur vor dem Hintergrund, daß dem Sachsenherzog wegen des zeitgleichen innersächsi-
schen Aufstands die Hände gebunden waren, um seine Interessen an der Ostseeküste
wirksam zu verfechten und selbst aktiv in die Geschehnisse einzugreifen. Heeresfolge
auf Ersuchen des dänischen Königs, jährliche Tributzahlungen sowie die Stellung von
Geiseln, die Annahme des Christentums und die Herausgabe der Tempelschätze waren
die mit der Eroberung verbundenen Bedingungen.^ Gleichzeitig wurde die rügische
Fürstenherrschaft umstrukturiert. Die verwandten Pommernherzöge Bogislaw und
Kasimir"" setzten sich nicht mit ihrem Wunsch durch, den Rügenfürsten Tezlaw aus sei-
ner Herrschaft zu drängend An Tezlaws Stelle trat freilich, von dänischer Seite begüns-
tigt, sein Bruder Jaromar." Ein Grund für den Regierungswechsel bestand gewiß in Ja-
romars erkennbarer Bereitschaft zu Gefolgschaft und Treue gegenüber dem dänischen
König, die auch in der Knytlingasaga besonders hervorgehoben wird. ' Diese Bereit-
schaft verschaffte Jaromar wiederum die Gelegenheit, seine eigene Herrschaft im däni-
schen Windschatten zu etablieren und auszubauen.
Soviel in aller Kürze zu der im 12. Jahrhundert bis zur Christianisierung und bis
zur Einbeziehung des südlichen Ostseeraums in das abendländische Herrschafts- und
Machtgefüge verlaufenden Entwicklung/" Des Überblicks wegen erscheint nun bei der
Betrachtung der Koordinate »Raum« und ihrer Herausforderungen zunächst einmal
eine Aufteilung in eine Außen- und eine Innenansicht der Herrschaftsbereiche sinnvoll,
wiewohl die strikte Trennung in einen äußeren und inneren Raum nur theoretisch sein
kann und, wie allein schon das Beispiel der Hansestädte lehrt, die sich sowohl außer-
halb (z. B. Lübeck) als auch innerhalb (etwa Rostock, Stralsund usw.) der betreffenden
Territorien befanden, in der historischen Realität so natürlich nicht gegeben war. An die
Darlegung der räumlichen Verhältnisse und der damit verbundenen Herausforderun-
gen wird sich ein Katalog möglicher Antworten anschließen, mit welchen die uns inter-
essierenden Fürsten den räumlichen Herausforderungen begegnen konnten und begeg-
neten, um sich Handlungsräume zu erschließen, zu bewahren oder zu erweitern.

33 1163 gewannen sie so für kurze Zeit einen Teil des Gebiets um Wolgast (GAETHKE 1994, S. 39)
und zielten gleichzeitig auf den Erwerb von Teilen Circipaniens ab (ScHWARTZ 1740, S. 95).
34 Zu den Ereignissen siehe ausführlich WERLiCH 1996.
35 Dazu PETERSOHN 1979, S. 440ff.
36 Saxo 867: Jaromar I. als nmmcrdMS Bogislaws I. - Arnold 111.7 spricht von Jaromar als propüayrus
Bogislaws I. Siehe auch ebda. 111.4. Zu Bogislaw I. und Kasimir/Casimir I. vgl. SCHMIDT 1955,
S. 416; v. BÜLOw 1876 u. 1876a.
37 Saxo 845: Quo tempore PomeronorMm duces, ^ut Tefistnaum regwo exMewdum se^ue Rugtonoe rei domi-
nium iw proemium mititioe recepfuros pufnhmf, posfutoto oäeundi ticentM, nmicitins irosfiiifnfe mutoaer-
UHt.
38 So soll Bischof Absalon Jaromar als einzigen der rügischen Großen zu sich nach Garz, dem zwei-
ten rügischen Herrschaftszentrum neben Arkona, genommen und ihn zu einer gemeinsamen
Speise auf seinem Schiff veranlaßt haben. Siehe dazu Saxo 839: Quam post^Mom oä A^sotowe duc-
ton' cogwoait, Gronzom se esse cow/essus, regem Tetisztowum cum Jorimoro /faire et uniaersis Rugianae
noMitatis proceritms adaewisse perdocuit; ebda.: Quo per omnitms pocttoHtäus assentiewte, soto Jarimaro
ex Rugianorum opttmottäus ossumpto, [...] Rarentiam pergit; ebda. 844: Aäsatow [...] aespera Rarentiam
rediit; detectts^ue stmutocrts, una cum Jarimaro projunda nocte ad naaes peraenit, eum^ue secum coewi-
tare coegit. - Zum weiteren Schicksal Tezlaws siehe ScHEiL 1962, S. 6f. u. 5ff. u. 7ff.; PYL 1881 zu
beiden Fürsten.
39 Knytlingasaga c. 130 (zum Jahr 1187): [...] inteiiexit ewim JnrizmnrMm, Jratrem suum, semper suam
rem &ene gessisse, <?uia perpetuo Jidus KnMfom regt Juisset (übersetzt von F. Jonsson). - Siehe dazu
auch FABRicius I, Einl. S. 76, Anm. 289.
40 Vgl. dazu auch ausführlich BENL 1999, S. 22ff., 28ff., 32ff.; PiSKORSKi 1999; HEiTz/RiscHER 1995,
S. 12ff., 155ff.; MAST 1994, S. llff.; WEHRMANN 1982,1, S. 59-87; PETERSOHN 1979.
 
Annotationen