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I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen
eingefordert worden, nicht aber auch noch die Zahlung von Tributen."" Diese Sachlage
erklärt sich anscheinend über eine damals in diesem Raum noch nicht vollständig er-
folgte Rezeption des Lehnsrechts als gesellschaftlich-politischem Ordnungsprinzip:
Zur eigentlichen Lehnspflicht trat daher noch eine Tributzahlung hinzu, die als Aner-
kennung der Unterordnung der Gesamtbevölkerung unter den fremden Oberherrn ge-
dacht war.""
Wartislaw I. von Pommern anerkannte 1121 die Oberhoheit des polnischen Her-
zogs Boleslaw III., verpflichtete sich zu jährlichen, anfangs wohl recht drückenden Tri-
butleistungen und zur Waffenhilfe im Bedarfsfall und nahm für sich und sein Land das
Christentum an."" Im Falle Mecklenburgs verhielten sich die Dinge nur wenig anders:
Hier hatte Heinrich der Löwe den slawischen Siedlungsbereich nach der Niederschla-
gung von Pribislavs Aufstand im Jahre 1163 zunächst vollständig dem Herzogtum Sach-
sen einverleibt, in Grafschaften aufgeteilt und seinen Gefolgsleuten zu Lehen gegebene"
Doch die innersächsische Opposition gegen den Herzog veranlagte ihn dazu, diese Lö-
sung 1167 schon wieder zu revidieren und seinerseits Pribislav mit einem Großteil des
ursprünglichen obotritischen Herrschaftsgebietes zu belehnen."" Fortan blieb nur die
Grafschaft Schwerin in der Hand deutscher Lehnsträger. In unmittelbarer zeitlicher
Nähe zu Pribislavs Belehnung stand wahrscheinlich seine christliche Taufe'" sowie die
Vermählung seines Erben Heinrich Borwin I. mit einer Bastardtochter seines Lehns-
herrn, Heinrichs des Löwen, namens Mechthild"". Fortan hielt er sich anscheinend im
Umfeld des Löwen auf, leistete ihm 1168 gegen die Rugianer Waffenhilfe, begleitete ihn
auch auf dessen Pilgerfahrt ins Heilige Land und starb am Weifenhof in Lüneburg in-
folge eines Turnierunfalls."" Die Rügenfürsten wiederum nutzten in wechselvollen
Kämpfen bis 1168 immer aufs neue die gegenseitige Konkurrenz Dänemarks mit Sach-
sen, um sich selbst in der Schnittstelle der jeweiligen Interessen zu behaupten."" Wech-
selnd mußten die Rügier dabei in den 1160er Jahren die Oberherrschaft entweder Hein-
richs des Löwen oder König Waldemars I. anerkennen"", wodurch es ihnen sogar gelang,
den eigenen Herrschaftsbereich auf Kosten der anderen slawischen Nachbarn zu ver-
23 Siehe dazu allgemein SriESS 2002, S. 27. - Vgl. für die Diskussion um den reichsfürstlichen Sta-
tus der slawischen Fürsten PETERSOHN 1983, S. 105f.; LucHT 1968, S. 29f.; ENGELBERT 1948, S. 98ff.;
v. NiESSEN 1913, S. 263ff.; FicKER 1861, S. 170.
24 PETERSOHN 1983, S. 106 unter Verweis insbesondere auf v. GRAWERT-MAY. - Siehe zur Interpre-
tation dieser im klassischen Sinne noch vor-vasallitischen Verhältnisse auch die entsprechen-
den Bemerkungen bei KATTiNGER 1995, S. 73 mit Blick auf GANSHOF 1989, S. 70ff.; DIESTELKAMP
1978; KiENAST 1954. - Siehe dazu allgemein die neueren Arbeiten von VAN EiCKELS 2006 oder
DENDORFER 2004a.
25 Herbord 11.5 u. 11.30. - PETERSOHN 1983, S. 10 - Die Tributzahlungen wurden 1124 auf Bitten Bi-
schof Ottos von Bamberg erleichtert. Vgl. dazu auch Herbord 11.26.
26 DoNAT 1995, S. 25; MÜNCH 1995a, S. 28; PELC1995, S. 40; HAMANN 1968, S. 85ff. Auch zum Folgen-
den. - Auf die Ereignisse des Wendenkreuzzugs von 1147 und die Zeit bis 1163 sei hier nicht nä-
her eingegangen. Siehe dazu PELC 1995, S. 36ff.; LOTTER 1977; auch MÜNCH 1998a.
27 Helmold c. 103f. - GAETHKE 1994, S. 40.
28 Er stiftete 1171 das Kloster Althof/Doberan: MUB I, Nr. 98. Siehe dazu auch BEI DER WiEDEN
2007 S. 8.
29 BEI DER WiEDEN 2000. Wichtig erscheint der dortige Hinweis, daß diese Eheverbindung die
Rangverhältnisse deutlich machte.
30 BEI DER WiEDEN 2007 S. 8; HAMANN 1968, S. 89.
31 GAETHKE 1994, S. 34f.; ScHROEDER 1969, S. llff.; BoLLNOw 1960, S. 56-61; JORDAN 1959, S. 30f.; EG-
GERT 1928, S. 3. - Zur Chronologie der Kampfhandlungen EGGERT 1927; zum Ablauf im einzel-
nen DERS. 1928, S. 12ff.
32 Z. B. 1163/64. Vgl. dazu Knytlingasaga c. 120. - Ausführlich dazu KATTiNGER 1995; GAETHKE
1994, S. 38; EGGERT 1928, S. 22f.
I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen
eingefordert worden, nicht aber auch noch die Zahlung von Tributen."" Diese Sachlage
erklärt sich anscheinend über eine damals in diesem Raum noch nicht vollständig er-
folgte Rezeption des Lehnsrechts als gesellschaftlich-politischem Ordnungsprinzip:
Zur eigentlichen Lehnspflicht trat daher noch eine Tributzahlung hinzu, die als Aner-
kennung der Unterordnung der Gesamtbevölkerung unter den fremden Oberherrn ge-
dacht war.""
Wartislaw I. von Pommern anerkannte 1121 die Oberhoheit des polnischen Her-
zogs Boleslaw III., verpflichtete sich zu jährlichen, anfangs wohl recht drückenden Tri-
butleistungen und zur Waffenhilfe im Bedarfsfall und nahm für sich und sein Land das
Christentum an."" Im Falle Mecklenburgs verhielten sich die Dinge nur wenig anders:
Hier hatte Heinrich der Löwe den slawischen Siedlungsbereich nach der Niederschla-
gung von Pribislavs Aufstand im Jahre 1163 zunächst vollständig dem Herzogtum Sach-
sen einverleibt, in Grafschaften aufgeteilt und seinen Gefolgsleuten zu Lehen gegebene"
Doch die innersächsische Opposition gegen den Herzog veranlagte ihn dazu, diese Lö-
sung 1167 schon wieder zu revidieren und seinerseits Pribislav mit einem Großteil des
ursprünglichen obotritischen Herrschaftsgebietes zu belehnen."" Fortan blieb nur die
Grafschaft Schwerin in der Hand deutscher Lehnsträger. In unmittelbarer zeitlicher
Nähe zu Pribislavs Belehnung stand wahrscheinlich seine christliche Taufe'" sowie die
Vermählung seines Erben Heinrich Borwin I. mit einer Bastardtochter seines Lehns-
herrn, Heinrichs des Löwen, namens Mechthild"". Fortan hielt er sich anscheinend im
Umfeld des Löwen auf, leistete ihm 1168 gegen die Rugianer Waffenhilfe, begleitete ihn
auch auf dessen Pilgerfahrt ins Heilige Land und starb am Weifenhof in Lüneburg in-
folge eines Turnierunfalls."" Die Rügenfürsten wiederum nutzten in wechselvollen
Kämpfen bis 1168 immer aufs neue die gegenseitige Konkurrenz Dänemarks mit Sach-
sen, um sich selbst in der Schnittstelle der jeweiligen Interessen zu behaupten."" Wech-
selnd mußten die Rügier dabei in den 1160er Jahren die Oberherrschaft entweder Hein-
richs des Löwen oder König Waldemars I. anerkennen"", wodurch es ihnen sogar gelang,
den eigenen Herrschaftsbereich auf Kosten der anderen slawischen Nachbarn zu ver-
23 Siehe dazu allgemein SriESS 2002, S. 27. - Vgl. für die Diskussion um den reichsfürstlichen Sta-
tus der slawischen Fürsten PETERSOHN 1983, S. 105f.; LucHT 1968, S. 29f.; ENGELBERT 1948, S. 98ff.;
v. NiESSEN 1913, S. 263ff.; FicKER 1861, S. 170.
24 PETERSOHN 1983, S. 106 unter Verweis insbesondere auf v. GRAWERT-MAY. - Siehe zur Interpre-
tation dieser im klassischen Sinne noch vor-vasallitischen Verhältnisse auch die entsprechen-
den Bemerkungen bei KATTiNGER 1995, S. 73 mit Blick auf GANSHOF 1989, S. 70ff.; DIESTELKAMP
1978; KiENAST 1954. - Siehe dazu allgemein die neueren Arbeiten von VAN EiCKELS 2006 oder
DENDORFER 2004a.
25 Herbord 11.5 u. 11.30. - PETERSOHN 1983, S. 10 - Die Tributzahlungen wurden 1124 auf Bitten Bi-
schof Ottos von Bamberg erleichtert. Vgl. dazu auch Herbord 11.26.
26 DoNAT 1995, S. 25; MÜNCH 1995a, S. 28; PELC1995, S. 40; HAMANN 1968, S. 85ff. Auch zum Folgen-
den. - Auf die Ereignisse des Wendenkreuzzugs von 1147 und die Zeit bis 1163 sei hier nicht nä-
her eingegangen. Siehe dazu PELC 1995, S. 36ff.; LOTTER 1977; auch MÜNCH 1998a.
27 Helmold c. 103f. - GAETHKE 1994, S. 40.
28 Er stiftete 1171 das Kloster Althof/Doberan: MUB I, Nr. 98. Siehe dazu auch BEI DER WiEDEN
2007 S. 8.
29 BEI DER WiEDEN 2000. Wichtig erscheint der dortige Hinweis, daß diese Eheverbindung die
Rangverhältnisse deutlich machte.
30 BEI DER WiEDEN 2007 S. 8; HAMANN 1968, S. 89.
31 GAETHKE 1994, S. 34f.; ScHROEDER 1969, S. llff.; BoLLNOw 1960, S. 56-61; JORDAN 1959, S. 30f.; EG-
GERT 1928, S. 3. - Zur Chronologie der Kampfhandlungen EGGERT 1927; zum Ablauf im einzel-
nen DERS. 1928, S. 12ff.
32 Z. B. 1163/64. Vgl. dazu Knytlingasaga c. 120. - Ausführlich dazu KATTiNGER 1995; GAETHKE
1994, S. 38; EGGERT 1928, S. 22f.