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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0280

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IV.2 Von slawischen Magnaten zu Reichsfürsten

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für die eigenen Handlungsspielräume, bedeutete es für den einzelnen Fürsten im Rah-
men des mittelalterlichen Reiches nach der postulierten Gehorsamspflicht gegenüber
dem römischen Könige doch ein Maximum an Souveränität und Selbstbestimmung.
Daneben beinhaltete es natürlich einen großen, für die damalige Zeit nicht zu unter-
schätzenden Ehrgewinn, gehörte man zu den Reichsfürsten. Ein hohes Maß an Ehre
konnte im Bedarfsfall äußerst hilfreich sein, wenn es um die Frage der Handlungsspiel-
räume ging. Als die wichtigsten Kriterien für die Zugehörigkeit zum Reichsfürstenstand
werden klassischerweise die unmittelbare Belehnung durch den König und die Freiheit
von Lehnsbindungen an andere weltliche Lehnsherrn genannt.^ Daneben hatte ein Gro-
ßer, wollte er als Reichsfürst gelten, ein landrechtliches Erfordernis zu erfüllen: Er
mußte die Herrschaft über ein Gebiet in Verbindung mit einer Grafen und Edelfreien
übergeordneten Gerichtsgewalt ausüben. Schon das Kriterium einer Gebietsherrschaft
über ein Land deutet allerdings an, daß es in der Verfassungswirklichkeit des Reichs-
fürstenstands jenseits formalrechtlicher Gemeinsamkeiten gewaltige Differenzen bei
der jeweiligen Nutznießung der fürstlich privilegierten Stellung gab und geben mußte.
Denn die einzelnen Länder und ihre »Beherrschbarkeit« unterschieden sich, je nach
ihrem Entwicklungsstand und ihrer inneren sozial-ständischen oder wirtschaftlich-
kulturellen Verfaßtheit sowie ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen interterritorialen
Systemen, gewaltig voneinander.^ Peter Moraw brachte diesen Sachverhalt eindrücklich
in dem vielzitierten Satz zum Ausdruck: »Das Durchschnittsfürstentum gab es wohl
nicht.« ' Somit ist es mehr als angebracht, über die gerade genannten formalrechtli-
chen Gemeinplätze hinaus nach den konkreten Möglichkeiten zu fragen, die sich den
Fürsten des südlichen Ostseeraums durch ihre verfassungsrechtliche Stellung als
Reichsfürsten bei der Schaffung und Wahrung von Handlungsspielräumen boten. Wer-
fen wir zu diesem Zweck zunächst einen Blick auf die durchaus komplizierte Chronolo-
gie.

IV.2.1 Die Herzoge von Pommern
Laut Bericht des Saxo Grammaticus hatten die pommerschen Herzoge Bogislaw I. und
Kasimir I., die ihre Lande bis zu diesem Zeitpunkt ofzsctzre et sine /zozzozv innegehabt hät-
ten, Kaiser Friedrich I. Barbarossa 1181 im Lager vor Lübeck Mannschaft geleistet und
dafür unter Überreichung von »Adlern«, worunter wohl Adlerfahnen zu verstehen sind,
den Titel von Herzogen Slawiens empfangen.^ Die lang vorherrschende Interpretation,

MHHS zzie/zf widder/nrn, müsse der Kaiser sein Fernbleiben und das seiner Räte verstehen. An das,
was Kurfürsten, Fürsten und andere Reichsstände (an Abgaben zugunsten von König und
Reich, O.A.) beschließen würden, wolle er sich freilich halten, soweit seine Länder dazu im-
stande seien: HHStA Wien, Bestand Max. 13/2, fol. 119.
47 SCHUBERT 1979, S. 299.
48 SriESS 2002, S. 37f.: »Ein Fürst zeichnete sich dadurch aus, dass er direkt vom König als einzigem
weltlichen Lehnsherrn belehnt wurde und ein Fürstentum inne hatte« (S. 38). Auch zum Folgen-
den.
49 Siehe dazu grundlegend MoRAw 1987 u. DERS. 1998,1997a, 1993 usw.
50 MoRAw 1986, S. 122. - Siehe auch ebda., S. 130: »Die sehr geringe Kohärenz vor allem der weltli-
chen Reichsfürsten, die sich bis tief ins 15. Jahrhundert beobachten läßt, dürfte den Reichsfür-
stenstand als Fiktion erweisen.«
51 Saxo 948ff.: Qm' dn??z oppz'dMzzz LM&ecn??z odsz'dere cepissef, Bogpszdwi^Me et KnzpzzMrz/nü rzu?z uz'res [...]
prouincMs, <7Mns (McfewMS odscMre et sz'we dowore izzsigzn'dMsgesserizü, snfmpnrM??z Hozzzine recepfMris [...]
HHHMewfe rege posfero^Me dz'e cowciowezH pefewfe, BMgiszLuMZM et Knzi??MrM??z, dnfis sodezzun'fer n^Miiis,
 
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