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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0362

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VI. Zusammenfassung

Ziel dieser Untersuchung war es, Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelal-
ter aufzuzeigen. Dies sollte ä la longue duree auf dem Wege einer Konstellationsanalyse
innerhalb der Themenfelder »Raum« (Kapitel I), »Finanzen« (Kapitel II), »Familie und
Dynastie« (Kapitel III), »verfassungsrechtliche Stellung« (Kapitel IV) sowie »Rangbe-
wußtsein und Repräsentation« (Kapitel V) geschehen, welche wir als Koordinaten oder
Ordnungskonfigurationen eines Systems begriffen, in welchem dem fürstlichen Han-
deln der Zeit diverse Möglichkeiten geboten und zugleich vielfache Grenzen gesetzt
waren. Handlungsspielräume wurden dabei von vornherein als die Möglichkeit ver-
standen, auf das Bündel von Herausforderungen zu reagieren, die sich den Fürsten im
Rahmen dieses Koordinatensystems zu unterschiedlichen Zeiten in je unterschiedlicher
Intensität stellten. Politik bedeutet in diesem Sinne ganz allgemein die aktive wie pas-
siv-reagierende Suche nach solchen Handlungsspielräumen. Hinter der Vorgehens-
weise, geographische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, politisch-rechtliche und kultu-
relle Aspekte bei der Konstellationsanalyse zusammenzuführen, stand wiederum die
Absicht, einen neuerlichen Perspektivwechsel in der Geschichtswissenschaft vorzuneh-
men, die seit dem socio-cultural turn ihren Schwerpunkt unbestritten im gesellschafts-
und kulturwissenschaftlichen Bereich sucht und demgegenüber politik-, rechts-, ja so-
gar wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen eher vernachlässigt. All diese Bereiche
sind freilich nur komplementäre Teile eines historischen Ganzen; erst zusammenge-
nommen ergeben sie ein vergleichsweise authentisches Bild der Vergangenheit. Als Un-
tersuchungsobjekte dienten die Herren und Fürsten des südlichen Ostseeraums, sprich
von Mecklenburg und Werle-Wenden, von Pommern und von Rügen, für die Zeit von
der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur frühen Reformationszeit. Sie boten sich an, weil
sie bislang als mehr oder minder königsferne Fürsten peripherer Reichsterritorien nicht
im engeren Fokus einer tendenziell doch eher an der Zentralperspektive orientierten
deutschen Geschichtsforschung standen und ihnen dabei noch der paradigmatische Ruf
vorauseilte, als mittel- bis mindermächtige Fürsten wenige bis gar keine Handlungs-
spielräume innerhalb des spätmittelalterlichen Reichsgefüges besessen zu haben.
Im ersten Kapitel ging es um den Raum und um die verschiedenen ihm in einem
engeren Sinne innewohnenden bzw. mit ihm in Verbindung stehenden Herausforderun-
gen sowie darum, wie sich die Fürsten und Herren mit den Gegebenheiten und Ent-
wicklungen ihres Raums arrangieren bzw. wie sie diese überwinden oder zu ihren
Gunsten beeinflussen konnten. Der südliche Ostseeraum stellt sich in der hier betrach-
teten Zeitspanne als ein sehr dichtgefügtes interterritoriales System dar, das unter ei-
nem nahezu stets vorhandenen Druck von außen stand, der von den regionalen Vor-
mächten Dänemark, Polen und Sachsen, als Reichsterritorium bald abgelöst von
Brandenburg, in zeitlichem und qualitativem Wechsel ausgeübt wurde. Deren teils hef-
tiges Ringen um Hegemonie sorgte dafür, daß sich das Reich erst vergleichsweise spät
als primäres Referenzsystem für die betreffenden Fürsten herauskristallisierte und daß
Dänemark und Polen auch weiterhin wichtige Bezugspunkte für dieselben bildeten. Zu
dem Druck der Vor- kam noch die weitere Konkurrenz anderer Regionalmächte.
 
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