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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0341

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326

V. Fürstliches Rangbewußtsein und dynastische Repräsentation

nastische Dignität vor Augen führte/"" Ähnliches ließe sich mit Sicherheit für die meck-
lenburgischen Residenzschlösser, etwa den Fürstenhof in Wismar und nicht zuletzt
Burg Stargard sagen, doch fehlt es hierzu bislang an entsprechenden kunsthistorischen
Forschungen.

V.3.5 Slawen oder Germanen?
Die Betonung der aniäytüüts der Dynastie bedingte fast zwangsläufig den Blick auf ihren
ethnischen Ursprung. Hier beobachten wir für den südlichen Ostseeraum in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts einen beachtlichen Umschwung im Selbstverständnis, wie
uns ein Blick in die zeitgenössische Historigraphie zeigt: Während zuvor nämlich die
Betonung der slawischen Ursprünge überwiegt, propagieren Marschalk bzw. Kantzow
bald die Fiktion eines germanischen Ursprungs beider Häuser. Kirchberg hatte, wie
dargestellt, auf die slawischen Anfänge der mecklenburgischen Dynastie und die
Gleichrangigkeit ihres Großreiches mit dem Reich und Dänemark verwiesen. Krantz
wollte die Geschichte des Hauses bis in die Antike zurückverfolgen, wobei die Ur-
sprünge bei ihm zwar völlig diffus blieben, die Annahme einer römischen Herkunft des
Geschlechts aber zurückgewiesen und vielmehr ganz traditionsgemäß die autochtone,
also slawische Abstammung betont wurde/"* Ihm kam hierfür die schon bei mittelalter-
lichen Autoren des Raums, etwa bei Augustinus von Stargard*"" oder gerade bei Kirch-
berg, begegnende und in Krantz' Fall wohl letztlich auf Helmold von Bosau zurückge-
hende Herleitung der mittelalterlichen Wenden bzw. Slawen von den antiken Vandalen
zupaß, auf der überhaupt der Name seiner Wandalia als einer Geschichte der Wenden
beruht.*"" Marschalk setzte seinerseits nicht nur, wie Krantz vor ihm, die Vandalen mit
den späteren Wenden gleich, sondern leitete zusätzlich den Namen der mecklenburgi-
schen Seitenlinie Werle etymologisch von den antiken Herulern her.'"* Folgerichtig sind
bei ihm die nachfolgenden Angehörigen der Dynastie die Hertdortnh %c VarUaUnut; &<-
mini. Dieses Konstrukt, das vom Autor eine genealogische Umschichtung erzwang, in-
dem die eigentlich in einem Seitenzweig der Dynastie stehenden Herren von Werle zur
Hauptlinie des Hauses gemacht werden mußten, erlaubte die Identifikation mit den He-
rulern, die nach Marschalks Kenntnis bereits antike Autoren, vor allem Prokop, als die
berühmtesten aller Germanenstämme bewertet hatten.*"" Ließ sich allein schon mit der

160 MÜLLER 2005.
161 ANDERMANN 2002, S. 287; DERS. 2001, S. 62.
162 Sein um 1346 verfaßtes Protocollum dürfte in einer Abschrift durch die Heiratsverbindungen
zwischen der pommerschen und mecklenburgischen Dynastie an den Hof Albrechts II. von
Mecklenburg gelangt sein. Siehe dazu SCHEIBE 1999, S. 98 u. DiES. 1997) S. 30, Anm. 32.
163 Krantz kannte die Chroniken von Kirchberg und - über diesen - von Augustinus von Stargard
sowie auch Adams von Bremen (Adam.Brem., bes. 2,18) und Helmolds von Bosau (Helmold,
c. 2). Ob daher unbedingt eine Tacitus-Rezeption bei Krantz' Gleichsetzung der Vandalen und
Wenden vorliegt, wie ANDERMANN 1999, S. 172f. schreibt, bleibt fraglich. Jedenfalls ist Krantz
nicht »der Urheber des error popularis«, wie es EiCKHÖLTER 1998, S. 158, Anm. 70 vermutet. -
Siehe zum Thema jetzt auch BoLLBUCK 2006, S. 112f.: »Neu ist, daß Krantz nicht einfach die Iden-
tifizierung übernimmt, sondern methodisch vorgeht, eine Genealogie erstellt, und diese Arbeit
historisch-kritisch, sprachkundlich und etymologisch angeht«; und insbesondere STEiNACHER
2004. Erstmalig begegnet die Gleichsetzung der Slawen mit den antiken Vandalen in einem Sa-
lomokommentar aus dem 9. Jahrhundert (ebda., S. 331f.).
164 G. WERNER 2002, S. 175f. Auch zum Folgenden.
165 Siehe dazu den eigenen Kommentar von Marschalk: Herrd;', popu/us, Eher Ger??MHos uHusü'ssi'-
??MS, npMd HMÜrores pn'scos in ce?e&nü;'one, rudgo VirerE, H Ehern in V dupirun.
 
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