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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0325

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310

V. Fürstliches Rangbewußtsein und dynastische Repräsentation

ausbildung von Residenzen und die Genese eines höfisch-dynastischen Rangbewußt-
seins gingen Hand in Hand bzw. bedingten einander. Es steht außer Frage, daß sich bei
den Rügenfürsten ähnliche Beobachtungen würden vornehmen lassen, hätten sie nur
nicht zu früh die Bühne der historischen Akteure verlassen.^

Y2 Zum Verhältnis von höfischem Entwicklungsstand,
dynastischer Repräsentation und Handlungsspielraum

Das bislang zur handlungsbestimmenden und legitimatorischen, also in unserem Sinne
spielraumschaffenden Funktion fürstlichen Rangbewußtseins Gesagte nahm es bereits
vorweg: Bewußtseinsäußerungen finden sich vor allem dann, wenn sich zusätzlich zur
im Grunde genommen stets vorhandenen und immer aufs neue zu berücksichtigenden
Notwendigkeit der HerrscheftslegitimatioiG der uns interessierende Handlungsspiel-
raum in irgendeiner Form einzuengen begann oder bereits beschränkt war und nun ei-
ner Erweiterung bedurfte.^ Die Erhebung zum mecklenburgischen Herzog, welche
etwa die Rechte des dänischen Lehnsherrn eindeutig verletzte, zog z. B. ein rasch verän-
dertes Münzbild Albrechts II. nach sich, das der Statusänderung nun nach außen Rech-
nung trug. Der Streit um die Reichsunmittelbarkeit Pommerns bewirkte, wie noch zu
zeigen sein wird, die Entfaltung der pommerschen Heraldik in einer zuvor nicht ge-
kannten Qualität. Der Stargarder Lektor des Augustinereremitenordens Augustinus,
auch Angelus genannt, verfaßte unter dem Eindruck polnisch-Gnesener Aspirationen
auf die Einverleibung des exemtem pommerschen Bistums Cammin sein sog. Protocol-
lum, in dem er etwaige Ansprüche als historisch unbegründet zurückwies/"

47 Im übrigen ist das Beispiel der Rügenfürsten nicht völlig unergiebig, was die Frage nach fürstli-
cher Identität und Selbstdarstellung anbelangt. Denn ihre Tradition spielte eine wichtige Rolle
für das Selbstverständnis der pommerschen Herzoge, die damit ihren Herrschaftsanspruch auf
das ihnen zugefallene rügische Erbe untermauern konnten. Rügische »Reminiszenzen« finden
sich so bei den pommerschen Greifen in der Titulatur, in der Heraldik, in der liturgischen Me-
moria und in Historiographie wie Genealogie. Die bekannten Stammbäume der Greifen aus der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie etwa der sog. Barther oder der Wolfenbütteler, enthal-
ten wie selbstverständlich stets auch eine Geäuri Tinen der nifen Fürsten zn Rngen. Dazu AuGE
2005a, S. 17ff.
48 Siehe dazu SCHREINER 1998 u. 1997 nach WEBER 1980, S. 16ff., 122ff. Schreiner betont im Unter-
schied zu Weber, daß der gesellschaftlich-politische Konsens, welcher der Legitimation zu-
grunde liegt, nicht ein ein für allemal erreichter Zustand sei, sondern immer wieder aufs neue
hergestellt werden müsse.
49 Siehe zur Historiographie etwa BoLLNOw 1937, S. 1: »Der Kampf um die pommerschen >Ansprü-
che< - um das Fürstentum Rügen (1325-1328) und die Reichsunmittelbarkeit (1320-1348) - hat in
den Zeiten der rücksichtslosen Hausmachtpolitik Ludwigs des Bayern (1314-1347) das pommer-
sche Selbstgefühl und die eigene Staatsidee wachgerüttelt.« Vgl. dazu auch PETERSOHN 1962/63,
S. 31. - ERKENS 2006, S. 217 verdeutlicht das auch am Beispiel der Idee des sakralen Herrscher-
tums: »Was aber prinzipiell im Bewußtsein präsent ist, das wird meist nur aus besonderem An-
laß eigens betont und kann dabei aus einem mitunter amorphen Vorstellungsgemenge heraus
zu präziser Darstellung gelangen.«
50 Er widmete sein Werk Herzog Barnim III. spätestens 1347. Siehe dazu SCHEIBE 1999, S. 91f. in
Anlehnung an HAAG 1874. Die Rezeption des Werks während des Stettiner Erbfolgestreits bil-
dete einen wesentlichen Baustein zur Genese eines pommerschen Selbstgefühls.
 
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