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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0331

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316

V. Fürstliches Rangbewußtsein und dynastische Repräsentation

die Abfassung historiographisch-genealogischer Werke als Spiegel fürstlicher Selbst-
deutung bildeten und ihnen geradezu ihren besonderen Stempel aufdrückten. Anschei-
nend kamen dabei grundsätzlich zwei Dimensionen zum Tragen: die Repräsentation
und Legitimation der fürstlichen Herrschaft nach außen, also vor allem gegenüber dem
König bzw. in Konkurrenz mit den anderen Reichsfürsten"; zum anderen nach innen
gegenüber und in Konkurrenz zu den nach einer Herrschaftsteilhabe strebenden Ange-
hörigen der eigenen Dynastie. In beiderlei Richtungen sahen sich die Fürsten fortwäh-
rendem Druck ausgesetzt, was sich an den Inhalten der betreffenden Werke gut ablesen
läßt und nochmals den legitimatorischen Sinn und Zweck dieser Quellengattung unter-
streicht.
Doch was ist bzw. war nun dieser »Kern« fürstlichen Rangbewußtseins im Nord-
osten des Reichs?" Wichtige Bestandteile fürstlicher Selbstsicht, soweit sie hier für uns
von Interesse oder überhaupt feststellbar sind, bildeten ganz allgemein bekannte Leit-
bilder des mittelalterlichen Adels und Hochadels, wie die Gewaltbereitschaft, die Frei-
gebigkeit, die Frömmigkeit, die Altehrwürdigkeit.' Daneben waren einige Elemente der
besonderen Situation und Geschichte der Fürsten im südlichen Ostseeraum geschuldet.

V.3.1 Gewaltbereitschaft
Bereitschaft und Befähigung zum Kampf waren geradezu »Grundtugenden« des mit-
telalterlichen und frühneuzeitlichen Hochadels als einer nicht zuletzt militärisch defi-
nierten sozialen Elite. " Auf diese militärisch-kriegerischen Aspekte läßt sich bei einer
genaueren Durchsicht ein Großteil der im 15. Jahrhundert geführten Auseinanderset-
zungen zwischen den einzelnen Fürsten zurückführen. Erinnert sei etwa nur an die
Fehden Ulrichs II. von Mecklenburg-Stargard mit seinen Schweriner Verwandten oder
die Wartislaws IX. und seiner Söhne mit der Stadt Stralsund, von denen an anderer Stelle
ausführlich die Rede war." Dieses Leitbild äußerte sich natürlich auch in der Teilnahme
der Fürsten an der höfisch-ritterlichen Kultur, wie sie im Ritterschlag^ oder in Turnie-
ren zum Ausdruck kam. Etliche Fürsten sind als Teilnehmer von Turnieren belegt, man-
che von ihnen wurden sogar Opfer von Turnierunfällen, so z.B. der erste christliche
Fürst Mecklenburgs Pribislav im Jahre 1178" oder auch der Sohn Albrechts II., Hein-

87 So auch im Falle der Fürsten von Anhalt: HECHT 2003.
88 Die mittelalterlichen Zeitgenossen unterschieden im Reich bekanntermaßen Könige, Fürsten,
Grafen und Herren, Ritter und Rittermäßige. - Vgl. dazu etwa SriESS 1992; KRIEGER 1986. Siehe
zum Adel als sozialer Kategorie grundlegend MoRSEL 2000a u. 1997 auch HECHBERGER 2004,
S. 38.
89 Siehe dazu jetzt grundlegend PARAviciNi 2006. - Er kommt zu seiner Synthese auf der Grund-
lage leider noch seltener zusammenfassender bzw. vergleichender Darstellungen zur Geschichte
des Adels im Mittelalter wie etwa MoRSEL 2004 (dieser besonders wegen der Einbeziehung kul-
turgeschichtlicher Zusammenhänge); ScoTT 2005; AscH 2001; KEEN 2000 u. 1984; CoNTAMiNE
1998; AuRELL 1996; DEWALD 1996; BusH 1983/88. - Siehe auch PARAviciNi 1994; BuMKE 1997;
FLECKENSTEIN 1990.
90 Vgl. dazu PARAviciNi 2006, S. 403: »Adel heißt grundsätzliche Gewaltbereitschaft.« - Siehe auch
HECHBERGER 2004, S. 86; KAEUPER 2000 u. 1999; KEEN 1996.
91 Siehe dazu Abschnitt I.3.5.3.3.
92 Siehe zum schon erwähnten Ritterschlag für Albrecht II. von Mecklenburg den Abschnitt
I.3.4.I.
93 HAMANN 1968, S. 89.
 
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