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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0314

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IV.8 Die verfassungsrechtliche Stellung und die Überwindung des Raums

299

IV.8 Die verfassungsrechtliche Stellung
und die Überwindung des Raums

Die vorangegangenen Abschnitte dieses vierten Kapitels unterstreichen nochmals den
engen Konnex der Koordinaten Raum und Verfassungsgeschichte. Die Optionen, die
sich für die Fürsten auf überregionaler Ebene mittels ihres Status als Reichsfürsten zu
mehr Handlungsspielräumen ergeben konnten, halfen dabei, den Raum und die sich
aus ihm ergebenden Handlungszwänge zu überwinden.
Im Verlauf des späteren 13. und frühen 14. Jahrhunderts hatten sich die Verbindun-
gen Mecklenburgs und Pommerns zum Reich - wohlgemerkt in einem nicht geradlinig
verlaufenden Prozeße - derart verfestigt und waren beide Herrschaftskomplexe zu ei-
nem so integralen Bestandteil des Reiches geworden, daß der Auf- und Ausbau von Be-
ziehungen und Kontakten zum Königshof und zu den Höfen der anderen, nicht nur in
der regionalen Nachbarschaft gelegenen Reichsfürsten für die Frage der Handlungs-
spielräume nahezu zwangsläufig große Bedeutung erlangte. Das mußte um so mehr
gelten, als sich das Reich zum Ausgang des 15. Jahrhunderts unter Friedrich III. und
Maximilian I. in rechtlicher, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Weise mehr
und mehr verdichtete und sich gleichzeitig der politisch-dynastische Umgangsstil stark
verrechtlichte. ' Hatte vor dieser Entwicklung die Königsferne des südlichen Ostsee-
raums den Beziehungen der Fürsten zum König natürlich eine ganz andere Qualität
und Intensität verliehen als denen etwa der königsnahen süd- und mitteldeutschen Für-
sten, so erfuhr die Situation spätestens seit dem Reichskrieg gegen Burgund im Jahre
1477 einen beachtlichen Wandel, ohne den wohl auch die Reichstage der >Reichsreform<
und der Reformationszeit mit ihrer tragenden Rolle nordostdeutscher Fürstenpersön-
lichkeiten kaum vorstellbar sind.'" Die zuvor zwar vorhandene, aber im Vergleich zum
Süden wesentlich verdünnte, diskontinuierliche und zumeist reagierende Königspoli-
tik'" und das nur fallweise Bemühen der Fürsten um die königliche Unterstützung im
Konfliktfall ' wurden nun eindeutig verstetigt; neue Positionen im königlichen Kriegs-
dienst und am königlichen Hof übten eine erhebliche Anziehungskraft auf die geldbe-
dürftigen nordostdeutschen Fürsten aus. Besonders integrativ und für den Kontakt zum
Reichsoberhaupt und auch zu anderen Fürsten förderlich wirkte der sich damals voll
entfaltende Reichstag. ''
Beziehungen zum König konnten die Fürsten vor allem über ihre Belehnung, über
Dienste am königlichen Hof oder im königlichen Auftrag und über das Bemühen um
königliche Unterstützung in Konfliktfällen aufbauen. '' Diese Beziehungen waren wie-
derum bei der Erlangung von Privilegien nützlich, die dem Ausbau der fürstlichen
Herrschaft dienten und damit die eigenen Handlungsspielräume vergrößern konnten.
Daneben traten die Fürsten natürlich geradezu zwangläufig mit dem König in Kontakt,

302 So auch zusammenfassend PETERSOHN 1983, S. 115 für Pommern.
303 Zum Vorgang allgemein MoRAw 1985 und auch DERS. 1999, 1998, auch schon 1984; PRiETZEL
2004, S. 132ff.
304 Dazu grundlegend MoRAw 1990, bes. S. 53,60f. Auch zum Folgenden.
305 Siehe dazu etwa VoGTHERR 1993; FAHLBUSCH 1983; MoHRMANN 1972; STOOB 1970; STEINBACH
1968; SCHMIDT 1950; v. FREEDEN 1931; WAHL 1922.
306 So HEiNic 1997II, S. 1315.
307 Zur Entwicklung des Reichstags jetzt grundlegend ANNAS 2004. Daneben auch MARTIN 1993
sowie MoRAw 2001.
308 Vgl. dazu EiBL 2006, S. 39.
 
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