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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0230

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111.2 Aufgaben und Rollen von Verwandten

215

die Albrecht zum Einlenken in der Teilungsfrage bewegten.^ Daraus lassen sich wiede-
rum Rückschlüsse ziehen, wie sehr der Erbstreit der beiden Brüder zuvor ihre außenpo-
litischen Handlungsspielräume tatsächlich eingeschränkt hatte. Um außenpolitisch ak-
tiv zu werden, bedurfte es der Herstellung eines Konsenses zwischen den Brüdern unter
dem Deckmantel einer diesmal freilich sehr brüchigen Hausobservanz. Es ist fraglich,
ob Albrecht überhaupt eine Notwendigkeit zur Einigung gesehen hätte, wäre er damals
nicht verstärkt in die dänischen Ereignisse einbezogen worden.

111.2 Aufgaben und Rollen von Verwandten

Das gerade zum Erbteilungsstreit zwischen den Brüdern Heinrich V. und Albrecht VII.
Gesagte erinnerte bereits an die wichtige Rolle, welche der Verwandtschaft - wohlge-
merkt der agnatischen wie der kognatischen und den Heiratsverwandten - in der Frage
fürstlicher Handlungsspielräume zukommen konnte. Denn sowohl die Einigung von
1518 als auch der Neubrandenburger Hausvertrag von 1520, welche trotz ihres beschei-
denen Erfolges immerhin wieder Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen zwi-
schen den streitenden Brüdern brachten, kamen unter der Vermittlung der ihnen durch
Verwandtschaft verbundenen Fürstenhäuser Hessen, Sachsen und Pommern zustande.
Der Neubrandenburger Hausvertrag sah im Streitfall ausdrücklich eine Schlichtung
des pommerschen Herzogs - im Falle Bogislaws X. handelte es sich um Heinrichs und
Albrechts Onkel - gemeinsam mit den Landschaften Mecklenburgs, Stargards und
Wendens vor. Werfen wir also einen Blick auf die betreffenden Funktionen und das Ge-
wicht der Agnaten, Kognaten und Heiratsverwandten, die wir der Einfachheit halber
im folgenden einfach als Verwandte bezeichnen.

111.2.1 Verwandte als Heiratsvermittler^
Karl-Heinz Spieß konnte in seiner Habilitationsschrift zeigen, daß der Verwandtschaft
im Spätmittelalter eine generell wichtige Rolle bei der Anbahnung von Heiraten zu-
kam." Unter Mithilfe der Verwandtschaft konnten die Fürsten ihre Heiratspolitik prak-
tizieren, die ihnen bei der Verfolgung der dynastischen Maxime des Erhalts oder besser
noch der Mehrung des Stammes und Namens weiterhalf.'' Die Kooperation mit der Ver-
wandtschaft verschaffte den Fürsten also unter Umständen wertvolle Handlungsspiel-
räume. Dabei, so Spieß, wurden in der Regel aber nicht etwa die agnatischen Stammes-
verwandten als Heiratsanbahner aktiv, sondern vielmehr die Kognaten und die
Schwägerschaft. »Das Knüpfen neuer ehelicher Freundschaften überließ man den >ge-
sippten Freundem, denen offenbar mehr Vertrauen entgegengebracht wurde als den
eigenen Brüdern und väterlichen Onkeln, denen man vielleicht unterstellte, in eigen-
süchtiger Weise eventuelle Benachteiligungen infolge der familialen Rollenzuweisung

96 Belege für diese Motivation nennt SELLMER1999, S. 33.
97 Siehe zur Erläuterung auch die entsprechenden Tafeln im Anhang.
98 SriESS 1993, S. 88ff. Auch zum Folgenden.
99 Siehe dazu auch Abschnitt 111.3.
 
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