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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0250

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111.3 Konnubium und Heiratspolitik

235

sinnvollerweise nach Söhnen und Töchtern getrennt untersucht.""" Danach fragen wir
anhand von Friedensschlüssen, Bündnissen und Erbschaften nach den Auswirkungen,
welche die damalige Heiratspolitik konkret auf die Handlungsspielräume der Fürsten
hatte.

111.3.1 Das Konnubium der Fürsten des südlichen Ostseeraums,
quantifizierend und qualifizierend betrachtet"""
Für unseren Untersuchungszeitraum sind zu den uns interessierenden Dynastien inge-
samt 192 Eheschließungen mit namentlich bekannten Ehepartnern belegt, 112 männli-
cher- und 80 weiblicherseits."' Davon entfallen vier auf Söhne und sechs auf Töchter der
Rügenfürsten. Bei den Herren von Werle handelt es sich um 22 Heiraten von Söhnen zu
16 Töchterehen, bei den Mecklenburgern um insgesamt 45 zu 26, bei den Pommern
schließlich, wenn man einmal alle Linien zusammennimmt, um 41 zu 32."""
Fragen wir nun bei jeder Dynastie bzw. Linie zur sozialständischen Verortung zu-
nächst, in welchem Umfang königlich, fürstlich - unterschieden nochmals nach reichs-
und nichtreichsfürstlich - und nichtfürstlich geheiratet wurde.""" Bei den Rügenfürsten
ist das Zahlenmaterial besonders dürftig, so daß hier die Beobachtungen durch Ein-
zelereignisse am stärksten verfälscht sein können: Der Anteil fürstlicher und nichtfürst-
licher Hochzeiten erscheint bei den männlichen Rügenfürsten mit zwei zu zwei erst ein-
mal ausgewogen, jedoch handelt es sich dabei um eine nichtreichsfürstliche Ehe
(Pommerellen) in der ersten und um eine reichsfürstliche (Braunschweig) in der zwei-
ten Generation, während auf die dritte zwei Eheschließungen des gleichen Fürsten
(Wizlaw III.) mit Grafengeschlechtern (Schwerin, Lindow) entfallen.""" Letztere sind
beide von den politischen Verwicklungen bestimmt, in die der Rügenfürst damals im
Zuge seiner Auseinandersetzung mit Stralsund und zeitweilig auch Brandenburg gera-
ten war.""" Bei den Töchtern stehen fünf reichsfürstliche Eheschließungen einer könig-
lichen (Norwegen) in der dritten Generation gegenüber. Diese »Ausnahmeehe« wird

229 NoLTE 2005, S. 95ff. hat vorgeführt, wie berechtigt eine solche Vorgehensweise ist. Das Konnu-
bium der Töchter der brandenburgischen Markgrafen unterschied sich qualitativ zum Teil er-
heblich von dem der Söhne.
230 Vgl. dazu zur Veranschaulichung die Tabellen im Anhang.
231 Siehe zu diesem Zahlenmaterial auch die Tabellen im Anhang.
232 Erfaßt wurden, wie gesagt, nur die Ehen, deren Ehepartner auch bekannt sind; dies ist aber für
nahezu alle Ehen ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts die Regel. Aufgenommen wurden zu-
nächst alle Ehen, also auch die Zweit- oder Drittehen der Töchter, die mit zehn ohnehin kaum
ins Gewicht fallen.
233 Siehe zum Vorgehen etwa NoLTE 2005, S. 95f.: »Als >königlich< gelten hier Verbindungen mit
Dynastien, die zum Zeitpunkt der Heirat ein Mitglied auf einem Königsthron hatten.« Ehen mit
den Grafen von Holstein, den Grafen von Henneberg sowie den Rügenfürsten und den Herren
von Werle werden in die fürstlichen Eheschließungen miteinbezogen, wiewohl besonders in
letzterem Falle, mehr noch als bei den Rügenfürsten, der reichsfürstliche Status ein fraglicher
ist. Vertretbar ist das Vorgehen deswegen, weil die Werter insgesamt der Vollständigkeit und
Abrundung des Bildes wegen in die Untersuchung miteinbezogen sind. Nichtreichsfürstlich
meint im folgenden Fürsten außerhalb des Reiches.
234 Zur Generationenzählung siehe die Zählung auf den Stammtafeln im Anhang. Die Zählung be-
zieht sich nicht auf alle bekannten Generationen, sondern nur auf die, die für unsere Datenerhe-
bung relevant sind.
235 Siehe etwa das Bündnis von Grevesmühlen, das unter anderem Wizlaw mit dem Grafen Niko-
laus von Schwerin zusammenführte: PUB V, Nr. 2873 = MUB VI, Nr. 3670 und Abschnitt 1.3.2.4.
 
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