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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0351

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336

V. Fürstliches Rangbewußtsein und dynastische Repräsentation

Landespatriotismus«.'^ Komplementär zur Verdichtung der humanistischen Landes-
diskurse im Umkreis der Fürstenhöfe um 1500 liefen nun zudem auf politisch-recht-
licher Ebene Prozesse ab, die - ohne daß dies natürlich von vornherein so impliziert
war - in den fürstlichen Herrschaftsbereichen tatsächlich verstärkte Gefühle der Zu-
sammengehörigkeit hervorrufen konnten. Zu denken ist an die in den vorangegange-
nen Kapiteln schon erwähnten neuen Formen der Steuer-, Zoll- und Währungspolitik,
die wirtschaftlicherseits zu Nivellierungen innerhalb der Territorien führten, neue
Strukturen in Kanzlei und Verwaltung, die die Territorien als Ganzes besser erfassen
halfen, Reformen im Rechtswesen, die auf einen einheitlichen Rechtsraum innerhalb
der Territorien hinausliefen, verstärkte Eingriffe im kirchlichen Sektor, die schon vor
der Reformation Landeskirchen zur Realität werden ließen, bildungspolitische Maß-
nahmen, die die Territorien zu kohärenten Bildungslandschaften machten usw. Maß-
nahmen wie diese formten die in sich bis dahin mehr oder minder disparaten Territo-
rien nun wirklich zu »Vaterländern« und sorgten dafür, daß der Humanistendiskurs
auch seine Rezipienten an den Höfen und in den Ländern der Fürsten fand.

V.3.9 Die transpersonale Idee der Dynastie
Letztere Beobachtungen verweisen nochmals auf die wichtige Rolle, welche Historiogra-
phie und Genealogie bei der Entwicklung der transpersonalen Vorstellung von der Exi-
stenz einer Dynastie spielten, deren Teil der einzelne Fürst war. Auf der politischen
Ebene ist sowohl bei den Mecklenburgern als auch bei den Pommern erkennbar, daß bis
ins 16. Jahrhundert hinein ein Selbstverständnis der einzelnen Linien des Hauses als An-
gehörige derselben Dynastie nur dann besonders ausgeprägt erscheint, wenn bedrohli-
che diplomatische oder militärische Konfliktsituationen herrschten bzw. die Aussicht
auf einen finanziellen oder territorialen Zugewinn bestand, was eine solche dynastische
Identifikation nötig machte bzw. angeraten erscheinen ließ, und daß diese jeweils nur
über einen begrenzten Zeitraum, bis nämlich die angespannte Lage überwunden war
oder diese Gewinnchancen bestanden, anhielt. ^ Als Quellenbegriffe begegnen hierfür
zumeist »Geschlecht«, »Blut«, »Stamm« oder »Herrschaft«.^" Ansonsten gewinnt man
freilich schnell eher den Eindruck einer fortwährenden Konfrontation zwischen den

244 WEBER 2002, S. 70.
245 Siehe zum Verhältnis der einzelnen Zweige der Dynastie zueinander nochmals auch Abschnitt
111.1. - Zu den Herren von Werle RucHHÖFT 2006, S. 17: »Trotz dieser Landesteilung zwangen die
schwierigen Zeiten zu einer gemeinsamen Vorgehensweise, wie sie bei einer Bestätigung der Par-
chimer Stadtrechte oder bei einem >Familientag< in Wredenhagen hervortrat.«
246 Siehe z. B. SD III, Nr. 2792: [...] uor Jddrerärodrers derf ?gd BMggisdw n/ Po???er?? ecdd? sons [...] wor /d-
fer??e sfdcdf, so;?; yn'pen fdrer [...] (Erich von Pommern); dazu auch AuGE 2008b, S. 175-177; CDBCI,
Nr. 137: U??d an?? unser; Müde ???'cdf gedor???? (die Herzoge Erich II. und Wartislaw X., 1465); Krantz
1600, S. 514: uorfrejjh'cde?? Purste?? des Mecdef??durg?'scde?? SM??????es; Kantzow 1897) S. 301: da fe?'f u??ser
derscdujff. - Der Begriff »Haus« kommt erstaunlicherweise lange Zeit gar nicht vor (während des
Stettiner Erbfolgestreits etwa ist nur von ug?Mf;'o oder der co??su??gu?'???'fus der Linien Stettin und
Wolgast die Rede, siehe z.B. KosEGARTEN 1857) S. 106 ng?mf;', S. 109: ?'?? ug?Mf;'o?:;'s s;'g ?:;;??;, S. 107: ex
?'??specf?'o??e oräon's co??su??gu?'???'fuf?'s). Siehe aber zum Hausbegriff allgemein MoEGLiN 1993a, zu
dem der Hohenzollern NoLTE 2005, S. 52ff. - Bei den mecklenburgischen Grabinschriften in Do-
beran begegnet der Begriff sfirps erstmalig beim 1504 gestorbenen Sohn Magnus' II., Herzog
Erich, gleich im ersten Vers: fdusfr? MegalopyrgM??? ???e sfirpe creufu??? / Excepif Mu??do pufr?d ferm
s?'??u [...], was einen ab dieser Zeit veränderten Stellenwert der dynastischen Sichtweise nahelegt.
Siehe ebenso die Inschrift für Herzogin Ursula, geb. Markgräfin von Brandenburg (41510): S?
jucMre ge??us dcef [...].
 
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