Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0289

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
274

IV. Die verfassungsrechtliche Stellung

rungspunkte für das politische und soziale Handeln im Mittelalter, zusammenfielen/"
Auch diese Ehe zahlte sich für die Spielräume der Pommernherzöge innerhalb der eige-
nen Dynastie und gegenüber anderen Fürsten aus: Karl schaltete sich so schlichtend in
die inneren Streitigkeiten der Dynastie ein."' 1370 beauftragte er seinen swe/ier Bogis-
law V. mit der Untersuchung von Vorwürfen des dänischen Königs gegen ungehorsame
Vasallen in- und außerhalb seines Reiches."" Der gleiche König ließ Karl über Bogislaw
um sicheres Geleit zu Verhandlungen am Kaiserhof bitten."^

IV.3.2 Bogislaw X. von Pommern und Maximilian I.
Pommern war erneut in den Status eines Aftervasallen herabgesunken, als die Pom-
mernherzöge 1472 die Lehnshoheit der Brandenburger über Pommern-Stettin anerkannt
und der brandenburgische Kurfürst 1479 diese Anerkennung dann sogar für das ge-
samte Herzogtum Pommern ertrotzt hatte."' Das vorherige Versäumnis, sich rechtzeitig
vom Kaiser belehnen zu lassen, hatte an dieser Entwicklung einen offensichtlich großen
Anteil. Zwar gelang es Bogislaw X. im Vertrag von Pyritz am 26. März 1493, daß der
brandenburgische Kurfürst Joachim für sich und seine Erben den Pommernherzog und
seine Nachkommen »auf ewige Zeiten« von der Pflicht der Lehnsnahme befreite und
auf jegliche Oberhoheit verzichtete."" Allerdings mußte Bogislaw dafür zwei Tage später
eine Erbeinung mit brandenburgischem Anfallrecht beim Aussterben der pommer-
schen Herzogsdynastie schließen und auch das Versprechen abgeben, nicht um eine Be-
lehnung beim Reich nachzusuchen.
Doch hielt sich Bogislaw nicht an diese Zusage, weil ihm gerade die negativen Er-
fahrungen seiner Vorgänger den Wert einer unmittelbaren Begegnung mit dem König
und eines guten Verhältnisses zu ihm eindringlich nahelegten.'" Vielmehr verfolgte er
unverdrossen das Ziel einer Belehnung durch den König, um (wieder) einen reichsun-
mittelbaren Status zu erlangen. Wohl genau in dieser Absicht bemühte er sich um eine
Ladung zum Wormser Reichstag von 1495, doch die brandenburgischen Gesandten hin-
tertrieben eine solche, indem sie die Sendung des schon ausgefertigten Ladungsschrei-
bens verhinderten und sogar durchsetzten, daß Pommern im Lehnsbrief, den der Kur-
fürst am 15. Juli 1495 ausgestellt bekam, ausdrücklich als Zubehör der Mark bezeichnet
wurde."" War für Bogislaw damit erst einmal die beste Gelegenheit zur direkten Beleh-
nung durch Maximilian geplatzt, bot sich bald eine solche wenigstens zur persönlichen
Kontaktaufnahme und zu einer damit verbundenen »Politik der kleinen Schritte«, als

111 Siehe zur Kumulation von Sozialbindungen als Idealfall zur gegenseitigen Absicherung allge-
mein nochmals GARNIER 2000, S. 210ff. - Zu denken ist bei solchen Fällen an die Ehe Heinrich
Borwins I. mit der Bastardtochter des Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen, Mechthild, oder an
die Ehe von Wartislaws IV. von Pommern-Wolgast Schwester Euphemia mit dem nachmaligen
dänischen König Christof II.
112 LUB 1.3, Nr. 622; MGH eConst II, Nr. 670917a; RI VIII, Nr. 4550.
113 MGH eConst II, Nr. 700727a = DD 111.8, Nr. 474; RI VIII, Nr. 2897.
114 DD 111.6, Nr. 369 = MGH eConst II, Nr. 630807a; RI VIII, Nr. 3981.
115 CDBCII, Nr. 45f. - BÖCKER 1995a, S. 389.
116 LAG, Rep. 2 Ducalia, Nr. 392-395. - Dazu und zum Folgenden BÖCKER 1995a, S. 396f.
117 So auch NoLTE 1998, S. 155: »Ihm war klar, daß er zur Durchsetzung der Unabhängigkeit von
Brandenburg des direkten Kontakts zum König bedurfte.«
118 Siehe dazu ScHicx 1967 S. 168f., 170f. - RTA MR V.2, S. 1307t.; auch RI XIV.l, Nr. 2109, 2169. - An-
gesichts der Tatsache, daß im 14. und 15. Jahrhundert etliche pommersche Herzoge als Besucher
von Reichstagen begegnen (siehe dazu den Abschnitt IV.5), wirkt die Nichteinladung Bogis-
laws X. zum Reichstag von Worms als um so größerer Affront.
 
Annotationen