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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0056

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1.3 Sich mit dem Raum arrangieren oder ihn überwinden: Wege fürstlichen Handelns 41

1.3.2 Bündnispolitik und Koalitionswechsel - Einführende Bemerkungen
Die Bündnispolitik der Reichsfürsten stand bislang noch kaum im engeren Blickfeld der
allgemeinen Forschung."" Wenn überhaupt, ging es schwerpunktmäßig eher um die
Außen- und Bündnispolitik des Reichs bzw. des Königs."^ Drei Formen königlicher
Bündnisverträge - dynastische, Leistungs- und Hilfsbündnisse - sind den entsprechen-
den Untersuchungen zufolge erkennbar. Dabei handelt es sich zugegebenermaßen um
künstliche Abstraktionen, die in der politischen Wirklichkeit so nicht immer klar aus-
einanderzuhalten sind. So brachten etwa Erb- und Heiratsabreden häufig ein dynasti-
sches Moment in Bündnisverträge ein."" Bündnisse zwischen Reichsoberhaupt und
Fürsten, so Günter Rauch, dienten dazu, geographische Distanzen zu überbrücken und
Partner an den König zu fesseln, die seiner Machtbasis fern waren."" Es steht indes zu
vermuten, daß königliche und fürstliche Bündnis- und Außenpolitik - Außenpolitik
verstanden als jede nach außen gerichtete Aktion eines Großem^ - nur qualitative Nu-
ancen trennten. Grundsätzlich unterschieden sie sich wohl nicht wesentlich voneinan-
der; sie folgten den gleichen Regeln.""
Aufschlußreich sind daneben die Ergebnisse insbesondere von Claudia Garnier.
Ausgehend vom Quellenbegriff der am/'c/'üü bzw. /nuüsc/zajf arbeitete sie für das Mittel-
alter eine »funktionale Kongruenz« herrschaftlicher (Lehnswesen), genossenschaftli-
cher (bündnispolitisch-»freundschaftlicher«) und verwandtschaftlicher Bindungsfor-
men heraus, angesichts derer es nur folgerichtig sei, daß sich diese »auch in der
terminologischen Übereinstimmung niederschlug«."' Eine dauerhafte Stabilität der So-
zialbindungen - dies haben wir schon bei der Betrachtung der lehnspolitischen Zusam-
menhänge gesehen - wurde am ehesten durch deren Kumulation bewirkt.

7.3.24 D%s ProMew Mn4nz'spoüü'sc7ie?'
Schon ein kursorischer Blick auf die damalige Bündnis- und Koalitionspolitik offenbart
uns eine Geschichte schneller, im Detail oft kaum verfolgbarer Umschwünge, zuweilen
gar inkonsequent erscheinender Wechsel und Brüche. Das starke persönliche Element,

223 Siehe GARNIER 2007) der es um den Quellenbegriff der Freundschaft im Spannungsfeld von po-
litischen Bündnispartnerschaften und Verwandtschaft geht. Vgl. daneben z.B. BuTZ 2002, der
die auswärtigen Beziehungen der Wettiner im späten Mittelalter untersucht, dabei aber zu dem
an sich allgemeinstgültigen Ergebnis gelangt, »daß die politischen Handlungen der Wettiner
[...] durch kontinuierlichen Aufbau der Beziehungen zu den unmittelbar anrainenden Territori-
algebilden gekennzeichnet war« (S. 194f.). Dies dürfte schlichtweg für jeden Herrschaftsbereich
dieser Zeit zutreffen. Im biographischen Zusammenhang ist auf FLORIAN 2006 zu verweisen. Er
untersucht Bündnisse als Mittel der Politik speziell Graf Eberhards des Milden von Württem-
berg (1392-1417). - Für die Zeit vom Regierungsantritt Barbarossas bis zum Tod Rudolfs von
Habsburg untersuchte die Bündnisse der Fürsten mit dem Reichsoberhaupt RAUCH 1966.
224 Grundlegend zur Außenpolitik des Reichs im Spätmittelalter sind die Forschungen von WEFERS
2007) 2002 u. 1995. - Siehe jetzt auch Heinig 2007. - Vgl. REiTEMEiER 1999 für die Außenbeziehun-
gen des Reichs zu England.
225 Vgl. zu den Formen SCHUBERT 1979, S. 113.
226 Außerdem nahmen Soldbündnisse - dadurch begünstigt, daß im Lehnswesen eine »Soldkom-
ponente« latent vorhanden war - in Rauchs Untersuchungszeitraum sprunghaft zu: RAUCH
1966, S. 176f.
227 So auch die Definition bei REiTEMEiER 1999, S. 22.
228 Vgl. dazu bisher auch die kurzen Bemerkungen bei MoRAw 1977) S. 183.
229 Zitat aus GARNIER 2007) S. 64. - Vgl. auch DiES. 2000.
 
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