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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0244

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111.2 Aufgaben und Rollen von Verwandten

229

111.2.4 Die Erben der Herrschaft und die Frauen der Familie
Bei der 1480 zwischen den Söhnen Heinrichs IV. von Mecklenburg vorgenommenen
Landesteilung wurde nicht nur geklärt, welcher Sohn welche Lande und Städte zuge-
sprochen erhielt, sondern es ging auch um die Frage, welcher Sohn die Versorgung wel-
cher hinterlassenen Frau der Stargarder Linie übernehmen sollte, die mit dem Tode des
Herzogs Ulrich II. im Jahre 1471 im Mannesstamm erloschen war. Der ältere Bruder Al-
brecht erklärte sich zur Unterhaltung von Ulrichs II. Schwester Magdalena bereit, die
Wartislaw X. von Pommern geheiratet hatte und seit 1478 verwitwet war, während die
jüngeren Brüder Magnus II. und Balthasar die Versorgung von Ulrichs älterer Tochter
Ingeborg übernahmen."^ Ulrichs Stiefmutter, die seit dem Tode ihres Gatten Heinrichs
d. Ä. im Jahre 1466 verwitwete Margarethe, eine geborene Herzogin von Braunschweig
und Lüneburg, sollte entsprechend noch auszuhandelnder Bedingungen von beiden
Seiten anteilsmäßig unterstützt werden.""
In diesen Bestimmungen, die rund ein Fünftel des ganzen Teilungsvertrages aus-
machen, fassen wir eine spezielle Form verwandtschaftlicher Solidarität, welche das
Verhältnis des bzw. der Fürsten zu seiner/ihrer Mutter bzw. Stiefmutter oder zu ande-
ren hinterlassenen Frauen der Familie, die es als Witwen zu versorgen galt, erforderlich
machte. Die Witwenversorgung war ein keineswegs marginales Phänomen, wenn man
sich die Zahlenverhältnisse vor Augen führt: 88 Prozent etwa der mecklenburgischen
Herzoge zwischen 1200 und 1600 hinterließen Witwen, von denen manche ihren Ehe-
mann um 22, 33 oder gar 42 Jahre überlebten."" Diese hatten im Prinzip während der
Zeit ihrer Witwenschaft Anspruch auf die bei der Eheschließung mit dem verstorbenen
Ehegatten abgeschlossene Witwenversorgung, was die finanziellen bzw. wirtschaftli-
chen Möglichkeiten der ohnehin schon stets geldknappen Fürsten zwangsläufig weiter
einschränkte. Nur im Prinzip bestand der Anspruch deswegen, weil es fürstlicherseits
nicht an mehr oder minder erfolgreichen Versuchen fehlte, die Frauen am Genuß ihrer
vertraglich zugesagten Witwenversorgung zu hindern. Ob dieser Versuch gelang bzw.
ob er, unter welchem Vorwand auch immer, überhaupt unternommen wurde, das hing
von den jeweiligen familiären Verhältnissen und Konstellationen ab."' Fürst Wilhelm
von Wenden etwa setzte die Witwe seines Bruders Balthasar namens Hedwig aus dem
Besitz ihres vertraglich verbrieften Leibgedings, nachdem sie sich um 1425 mit dem
Grafen von Oldenburg wiedervermählt hatte."" Hedwig wandte sich darauf mit einer
Klage gegen Wilhelm an das Konstanzer Konzil, und der von diesem delegierte Richter,
Bischof Johann von Gurk, verurteilte den Wendenfürsten am 25. Mai 1436 zu einer Strafe

194 SACHSSE 1900, Nr. 80, S. 175f.; LAS, Bestand 11.11, Nr. 17610t. - Magdalena wurde 1482 mit Graf
Burchard von Barby und Mühlingen verheiratet, Ingeborg 1490 mit Graf Everwin II. in Bent-
heim. Siehe dazu ScHWENNiCKE 1984,1, Tf. 138.
195 Ebda. S. 176: [...] Lfem so scdoiew Linse Sons ergenonf, sdr someh&n sdcdfew und uerdrogen ??df der
Hocdgedoren Edrsünnen, erer VeddeAen, seei. Herrn Hinrdrs, Herfogen fo MeMn&orc7r, nngeinfene
Hns/rowen, so Hse denne de Verdrog sdr Hängende wird, dor, no Anhden, fo ieggen, en isidr sin Andei,
nnd so se somedren vermögen.
196 Zum Gesamtproblem siehe SriESS 2003 (Zahlen auf S. 88); ScHATTKOwsKY 2003.
197 Auf jeden Fall war es für Witwen günstig, wenn sie von einer starken Verwandtschaft Unter-
stützung erfuhren: So verbündete sich am 14. August 1295 z. B. Markgraf Otto von Brandenburg
mit Herzog Otto von Braunschweig, wobei sie vereinbarten, mit den Herren von Werle so lange
keinen Frieden zu schließen, bis der Witwe des Herrn Heinrich von Werle, seiner Nichte und
zugleich die Schwester des Herzogs, wegen ihres Leibgedings Genüge geleistet sei: UBBraun-
schweig I, Nr. 135 = CDB 11.1, S. 214. Uber den Ausgang des Streites sind wir in diesem Falle frei-
lich nicht informiert.
198 RuDLOFF 1786, S. 629.
 
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