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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0111

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96

I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

1.3.5 Die Durchdringung und Beherrschung des eigenen Herrschaftsbereichs -
Vorüberlegungen
Während die vorangegangenen Abschnitte Möglichkeiten und Grenzen außenpoliti-
scher Handlungsspielräume thematisierten, geht es im folgenden mehr oder minder um
den innenpolitischen Bereich. Mehr oder minder deswegen, weil sich auch hier natür-
lich nur schwer eine klare Trennlinie zwischen außen und innen ziehen läßt. Es ist da-
her auch nur sinnvoll, den inneren und äußeren Bereich in einem »Raumkapitel« zu-
sammenzufassen. Der Landadel eines Fürstentums, dessen Machtstellung die der
Fürsten zeitweilig in Frage stellen konnte, bewegte sich z.B. mit Vorliebe territorien-
übergreifend in den Grenzregionen der Fürstentümer. Die Kirche, ein weiterer wichti-
ger innenpolitischer Machtfaktor, war supraterritorial organisiert. Städte, mit denen sich
die Fürsten innerhalb ihres Territoriums auseinanderzusetzen hatten, waren mit Städ-
ten außerhalb des fürstlichen Machtbereichs verbündet.
Die gerade gelieferten Beispiele wurden nicht beliebig gewählt. Vor allem der
Landadel, kirchliche Institutionen und die Städte eines fürstlichen Territoriums konn-
ten die Macht und Handlungsfreiheit eines Fürsten im Innern beschränken und be-
schneiden, was sich natürlich auch auf seine Position gegenüber dem äußeren Raum
auswirkte. Alle drei Kräfte entwickelten sich im Rahmen ständischer Aktivitäten und
Vertretungen zum Gegenpol fürstlicher Alleinherrschaft.""' Rudolf Benl beschreibt die
Stellung der Stände und ihre je nach Fürstentum und Landesteil unterschiedlichen Mit-
wirkungsrechte für den Ausgang des Mittelalters wie folgt: »Ein ständisch besetztes
Ratskollegiumn nahm an den Regierungshandlungen teil, im Hofgericht saßen Vertre-
ter der Stände, ihnen war ein bedingtes Widerstandsrecht verbrieft, bei Landesteilun-
gen stand ihnen das Recht der Mitwirkung zu, bei der Auswahl von fürstlichen Amts-
trägern sowie bei der Entscheidung über Krieg und Frieden spielten sie eine wichtige
Rolle, während einer Regentschaft wuchsen ihnen wesentliche Aufgaben zu, bei der
Wahrung des Landfriedens war ihnen eine starke Zuständigkeit eingeräumt, die Her-
zoge unterwarfen sich ständischen Schiedsgerichten, und die Ausschreibung außeror-
dentlicher Steuern unterlag ihrer Zustimmung.«""" Fürstlicher Handlungsspielraum be-
stand demnach im Innern nur sehr beschränkt. Sowohl für Mecklenburg und Werle als
auch für Pommern/Rügen ist eine dualistische Struktur bzw. Machtbalance zwischen
Fürsten und Ständen erkennbar, was allerdings nicht notwendigerweise und nur einen
Gegensatz zu bedeuten hatte, sondern eine Grundstruktur meint, »die offen ist für ein
Nebeneinander, Miteinander und Gegeneinander der Elemente«, welche im Rahmen
des gedachten Dualismus virulent waren."'" Fürsten und Stände konnten miteinander in
Konflikt geraten, mußten es aber nicht unbedingt und in jedem Fall. Allein die Möglich-
keit der Stände dazu und ihre Aussicht auf etwaigen Erfolg stellten allerdings schon
eine gewisse Beschränkung fürstlicher Handlungssfreiheit dar.

602 Siehe dazu kurzgefaßt SCHUBERT 1996, S. 41ff. - Dementsprechend spricht Thomas Klein genau
auch diese drei Faktoren bei der Frage nach der Ausbildung von Territorialstaaten u. a. am Bei-
spiel Mecklenburgs in aller Kürze an. Siehe dazu KLEIN 1996, S. 346 (Adel), 354f. (Kirche) u. 357f.
(Städte).
603 BENL 1992, S. 135. - Vgl. dazu auch TEUBNER-ScHOEBEL 2000, S. 14.
604 Zitat aus LANGE 1981, S. 312f. - Siehe für Mecklenburg HECK 1999; HEGEL 1856 und für Pommern
TEUBNER-ScHOEBEL 2000, S. llff.; BENL 1992. - Berechtigte Zweifel an einem bloßen Dualismus-
modell, wie es von der Forschung nur zu oft in Vereinfachung der historischen Gegebenheiten
propagiert wird, äußert z.B. SCHUBERT 1991, S. 2-4, 52 und passim.
 
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