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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0110

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1.3 Sich mit dem Raum arrangieren oder ihn überwinden: Wege fürstlichen Handelns 95

Werler Herren, aber auch Städte wie Wismar und Rostock in den Schatten Albrechts ge-
rieten. Eine Vormachtstellung könne außerdem formelle Instrumente wie Bündnisse,
Landfrieden, Dienst- und Schutzverträge oder auch Lehnsbeziehungen nutzen. Alles
finden wir wiederum bei Albrecht IIV Kaum anders verhält es sich mit Erich von Pom-
mern, dem zwar nicht Pommern, sondern Dänemark als machtpolitisches Pundament
diente, dem sich aber seine pommerschen Verwandten bereitwillig unterordneten und
der sich auch andere Pürsten des südlichen Ostseeraums dienstverpflichtete^.
Die Polgen dieser Vormachtstellung für die fürstlichen Handlungsspielräume kön-
nen summarisch als Überwindung der Möglichkeiten und Zwänge des angestammten
Raumes durch die Festsetzung in anderen Räumen und die Nutzung von deren Res-
sourcen beschrieben werden. Bei der Kalmarer Union und der sich daraus nahezu von
selbst ergebenden Hegemonie im nordeuropäischen Rahmen ist das von vornherein
einleuchtend. Durch die in beiden Fällen mit der Festsetzung in anderen Räumen ver-
bundene Erwerbung einer oder mehrerer Königskronen stand den Dynastien der Weg
zum Spiel in einer ganz anderen machtpolitischen wie verfassungsrechtlichen »Liga«
frei. Interessanterweise waren die Herzoge von Pommern-Stolp im Rahmen ihres durch
Erlangung der drei nordischen Kronen gewonnenen und durch die mögliche Heirat mit
einer polnischen Königstochter noch zu erweiternden Handlungsspielraums zu einer
weitgehenden Lösung vom eigenen Territorium bereit, sollte dieses doch, wie bei der
Wiederaufnahme der pommersch-polnischen Heiratsverhandlungen im Jahre 1424 an-
geboten wurde, teilweise oder vollständig an Polen fallen.""" Beide Male hätte das weit
ausgreifende Engagement bei einem dauerhaften Erfolg glänzende dynastische, macht-
politische und wirtschaftlich-finanzielle Aussichten mit sich gebracht - ein Maximum
an Handlungsspielräumen sozusagen.
Doch führten in beiderlei Fällen dynastische Zufälle wie der Tod Albrechts II.,
Heinrichs III. oder Albrechts IV. bzw. die Kinderlosigkeit König Erichs und - in seinem
Fall auch besonders deutlich - die Überspannung der eigenen Kräfte ein rasches Ende
der erlangten Vormachtstellung herbei. Die Folgen waren schwerwiegend, wie das Bei-
spiel der mecklenburgischen Verpfändungen beweist. Auf die durch die Vormachtstel-
lung kurzfristig erlangten Handlungsspielräume folgte deren längerfristige Einengung.
Nicht von ungefähr war Mecklenburg für rund hundert Jahre machtpolitisch gelähmt""*,
Pommern-Stolp sollte überhaupt kein überregionales Gewicht mehr erlangen. Auf den
Versuch, mittels einer Vormachtstellung den eigenen Raum und seine Gegebenheiten
zu überwinden, folgte somit die extrem starke Beschränkung auf den angestammten
Raum.

598 Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch daran, daß 1355 Barnim III. von Pommern-Stet-
tin die Herrschaft Stavenhagen von Albrecht zu Lehen nahm: MUB XIII, Nr. 8125B.
599 Die Herzoge Ulrich und Johann von Mecklenburg-Stargard stellten sich 1411 für das Verspre-
chen von jährlich 500 Mark in den Dienst des dänischen Königs: LAS, Bestand 1.1-13 Dänemark,
Nr. 53 bzw. 11.11, Nr. 1497 u. 1.1-13 Dänemark Nr. On u. Oo bzw. 11.11, Nr. 1498 u. 1499 (Vertrag
über die Stellung von 100 bewaffneten Reitern für die vierteljährliche Zahlung von 500 Mark lö-
tigen Silbers).
600 Bogislaws IX. Teil des Herzogtums sollte auf jeden Fall an Polen angeschlossen werden, wäh-
rend Erichs Teil bis zum Tod Bogislaws IX. und seiner Gemahlin bei Bogislaw verbleiben sollte.
Stürbe Erich ohne männliche Nachkommen, sollte auch sein Landesteil für ewig Polen zufallen.
Dafür sollten Bogislaw und Hedwig im Falle eines söhnelosen Todes des polnischen Königs die
Krone Polens erhalten. Siehe dazu WERLiCH 1991, S. 46f.
601 Zu dieser Zeit siehe den Überblick bei MÜNCH 2000b, S. 45f.; HAMANN 1968, S. 194ff.
 
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