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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0037

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22

I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

Von diesen »äußeren« Komponenten, dem fast andauernd mehr oder minder stark
von den regionalen Vormächten Dänemark, Polen und den Reichsterritorien Sachsen
und dann Brandenburg ausgeübten Druck und dem mit ebendiesen und mit den gleich-
starken Regionalmächten latent bis offen ausgefochtenen Konflikt um die eigene macht-
politische Positionierung im südlichen Ostseeraum wurden die Handlungsoptionen
der Fürsten und Herren stark mitbestimmt, und auf diese hatten sie ihre Politik in Ak-
tion wie Reaktion auszurichten.

1.2 Die inneren Verhältnisse im südlichen Ostseeraum

Die Herrschaftsbereiche der Fürsten und Herren von Mecklenburg, Werle, Pommern
und Rügen unterlagen in der Zeit zwischen 1140 und 1300 einschneidenden Verände-
rungen, so daß man im Wandel der inneren Verhältnisse geradezu das charakteristische
Merkmal dieser Epoche sehen kann. *' Im Rahmen der Ostsiedlung hielt ein Strom deut-
scher bäuerlicher Siedler von Westen und Süden Einzug in diesen Raum und teilte sich
diesen im Zuge des durch Rodungen vorangetriebenen Landesausbaus mit den ange-
stammten slawischen Einwohnern.^ Eine wichtige Rolle beim Landesausbau spielten
die Klöster, die mit der Unterstützung oder auf Initiative der Fürsten ins Leben gerufen
worden waren." Die Neusiedler brachten nicht nur technische Errungenschaften wie
den schweren Bodenwendepflug mit, sondern etablierten auch die Hufenverfassung
und Dreifelderwirtschaft. Begünstigt von den Fürsten wurden die slawischen Besitz-
und Rechtsverhältnisse durch die deutschen verdrängt.*" Betontermaßen erfolgte keine
weitgehende oder gar völlige »Ausrottung« der slawischen ländlichen Bevölkerung.
Diese wurde vielmehr wirtschaftlich, sozial, sprachlich und religiös assimiliert, was
der schon angesprochenen Neustammbildung letztlich den Boden bereitete. Die rechtli-
che, soziale und wirtschaftliche Lage der Bauern dieses Raumes nahm sich - gerade im
Vergleich zum westlichen Altsiedelgebiet - vergleichsweise günstig aus, wie in den
Quellen aufscheinende Gemeindestrukturen, erbliches Besitzrecht und persönliche
Freizügigkeit zu erkennen geben..Eigentümer an Grund und Boden waren die Bauern
indes nicht, sondern sie standen unter der Grundherrschaft entweder der Fürsten und
Landesherrn selbst oder der Geistlichkeit, der gleich zu berührenden Städte oder des
ebenfalls noch eingehend zu besprechenden ländlichen Adels. Gerade letzterer sollte
im späten Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit für die Entwicklung der bäuer-
lichen Verhältnisse entscheidend werden, indem er von der vielfachen Veräußerung
landesherrlicher Rechte am meisten zu profitieren wußte. Der Erwerb der Gerichtsbar-

96 So verfährt z. B. HAMANN 1968, S. 118.
97 Dazu mit historischen, siedlungsgeographischen, archäologischen und namenskundlichen Be-
funden BiERMANN/MANGELSDORF 2005. - Siehe desweiteren HAMANN 1968, S. 118ff. oder auch
MÜNCH 2000, S. 32ff. Gleichfalls zum Folgenden. - Nach VÖGE 1994, S. 33 ist der Landesausbau in
Mecklenburg übrigens wohl auch in starkem Maße von der Küste aus erfolgt. - Vgl. zur Ostsied-
lung allgemein GRUNDMANN 1999, S. 261ff., 266ff.; HiGOUNET 1990; RÖSENER 1986, S. 48ff., zur
Kolonisation Mecklenburgs ausführlich, aber nicht unwidersprochen jEGOROv 1930-32.
98 Siehe dazu z. B. MANGELSDORF 1998 für Eldena; REiMANN 1998 für Dargun.
99 Modellhaft für Rügen KossMANN 1983, bes. S. 192ff.
100 ENDERS 1993 (modellhaft, allerdings für Brandenburg), S. 195-256; für Mecklenburg RICHTER
1985; für Rügen KossMANN 1983, S. 197ff.; GoHRBANDT 1940 für Ostpommern.
 
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