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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0042

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1.3 Sich mit dem Raum arrangieren oder ihn überwinden: Wege fürstlichen Handelns 27

einer Zusammenführung weit auseinanderliegender Herrschaftskomplexe. Doch im
Nahbereich fanden durch Eroberung und dynastische Mechanismen unterschiedliche
Herrschaften zueinander. Zu denken ist z. B. bei Rügen an seinen großzügigen, der ei-
gentlichen Insel vorgelagerten Festlandsbesitz, im Falle Mecklenburgs an die Grafschaft
Schwerin oder die Herrschaft Stargard und für Pommern an den Antritt des rügischen
Erbes im äußersten Westen oder an die Gewinnung der Länder Lauenburg und Bütow
an der Ostgrenze. Die neu hinzugewonnenen Herrschaftsrechte bedurften der Siche-
rung, um so zu einer dauerhaften Erweiterung der materiellen Versorgungsbasis und
damit der Handlungsspielräume der Dynastie beizutragen. Auch diese Sicherung -
nicht irreführend zu interpretieren als eine auf Nivellierung der verschiedenen Landes-
teile abzielende Territorialpolitik - mußte das fürstliche Handeln herausfordern.

1.3 Sich mit dem Raum arrangieren oder ihn überwinden:
Wege fürstlichen Handelns

Schauen wir nun - nach der Skizzierung der räumlichen Grundbedingungen - einge-
hender auf etwaige Möglichkeiten und Grenzen fürstlichen Handelns und fragen wir
speziell unter dem Blickwinkel der Koordinate des Raums, wie die Fürsten und Herren
aktiv oder reagierend Handlungsspielräume gewinnen, bewahren und erweitern konn-
ten.
Eine Beobachtung sei dem Folgenden dabei noch vorangestellt: Zwangsläufig gab
der Raum, in welchen die Fürsten gestellt waren, ihrem Handeln strukturell determi-
nierte Bedingungen vor. Doch erscheint außenpolitisches Handeln der Fürsten im spät-
mittelalterlichen Reich mit seiner immer noch offenen, sich erst allmählich verdichten-
den Verfassung*^ graduell weniger durch die räumlichen Strukturen selbst bestimmt
als das binnen- oder innenpolitische. Wünsche, Ziele und Vorstellungen einzelner Herr-
scherpersönlichkeiten blieben in der Außenpolitik offensichtlich länger entscheidend
als in der Innenpolitik des sich entfaltenden Territorialstaates. Zwar war erstere gewiß
auch strukturellen Determinanten unterworfen, welche etwa die politische Großwetter-
lage, die Verfassung, die formale Hierarchie, der Einfluß der Landstände und Räte so-
wie wirtschaftlicherseits auch Handel und Verkehr, schließlich zudem die Tradition
auferlegten. Doch ist der große Stellenwert unverkennbar, den noch der persönliche
fürstliche Kontakt in der Diplomatie sowie überhaupt der familiäre Charakter der poli-
tischen Beziehungen einnahmen.'^ Das erlaubte den handelnden Fürsten damals wohl
noch größere persönliche Handlungs- und Entscheidungsspielräume, als es grundsätz-
lich für die Zeit verdichteter Verfassungsverhältnisse zu vermuten steht. Die raschen
Orientierungswechsel in der Bündnispolitik und die oft krassen politischen Neuaus-
richtungen der Zeit sind dafür symptomatisch.

127 Siehe dazu insgesamt die grundlegenden Arbeiten von MoRAw 1985 und auch DERS. 1999,1998,
1984; überblickshaft PRiETZEL 2004.
128 Für das Württemberg des 15. Jahrhunderts siehe dazu FRITZ 1999, hier S. 6. - Siehe dazu weiter-
führend WEBER 1998a sowie WEFERS 1995 und wieder 2002.
 
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