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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0218

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111.1 Hausdenken und dynastische Räson

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nastiemitglieder schnell einschränken. Umgekehrt erlaubte eine Übereinstimmung un-
ter den Angehörigen der Familie bzw. Dynastie gewiß Handlungsspielräume. Was
schon zur hohen Bedeutung des Konsenses innerhalb fürstlicher Herrschaft gesagt
wurde, gilt demnach ebenso für den familial-dynastischen Bereich. Eine zwangsläufige
Einigkeit, ein naturgegebenes einhelliges Eintreten für eine dynastische Idee bestand
nicht und war oft erst über den Weg eines wie auch immer gearteten Konsenses zu er-
zeugen.

111.1 Hausdenken und dynastische Räsorü

Für Erfolg oder Mißerfolg der Regierung eines Fürsten konnte das Verhältnis zu seiner
Verwandtschaft von entscheidender Bedeutung sein. Im besten Fall gewann man in die-
sem Personenkreis verläßliche Partner, die den eigenen Rücken deckten und das eigene
Handeln - im übrigen wohl selten je bedingungslos - unterstützten, im schlimmsten
Fall rekrutierten sich aus dieser Gruppe Konkurrenten und Gegner, welche eine Gefahr
für die eigene Politik oder Position darstellten. Zu beidem hält die Geschichte der Her-
ren und Fürsten von Mecklenburg, Werle, Pommern und Rügen etliche Beispiele parat.
Albrecht II. von Mecklenburg etwa war sich in seiner zunächst auf Konsolidierung,
dann auf Expansion seiner Herrschaft zielenden Politik nahezu stets der Unterstützung
seines Bruders Johann und seiner Werler Verwandten sicher/" Das gleiche gilt für das
Verhältnis Magnus' II. zu seinem Bruder Balthasar. In ruhigem dynastischen »Fahrwas-
ser« waren ihre umfangreichen Reformen im Inneren ihrer Herrschaft leichter gegen
den Widerstand der Stände durchzuführen, als wenn der eigene Hausfrieden schief ge-
hangen hätte. Für die Rügenfürsten ist zu konstatieren, daß bei ihnen regelmäßig neben
dem pn'nceps entweder ein Sohn oder ein Bruder als mitregierender ünnor pn'nceps er-
scheint, ohne daß wir von Querelen um die gemeinsame Herrschaft etwas erführen."
Ähnlich harmonisch scheint z. B. das Verhältnis Barnims III. von Pommern-Stettin zu
seinem Vater Otto I., die fast immer gemeinsam auftraten bzw. agierten, oder das der
Brüder Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V. von Pommern-Wolgast gewesen zu
sein/" Weit mehr Beispiele lassen sich aber für den zweiten Fall beibringen. Fulminant
ist ein bekannter Fall innerhalb des Hauses Werle: 1291 ermordeten die Brüder Nikolaus
und Heinrich II. ihren Vater Heinrich I. aus Angst um ihr Erbe. Ihr Vetter Nikolaus II.
vertrieb sie darauf aus ihrem Herrschaftsbereich, worauf Heinrich II. von Mecklenburg
seinerseits in den Familienkonflikt eingriff und die Vatermörder im Kampf gegen Niko-
laus II. unterstützte." Vom Kampf sämtlicher Werler Herren gegen ihre Mecklenburger
Verwandten 1415/16 wird noch zu reden sein: Er führte für Christoph von Werle in die

15 Siehe zur transpersonalen Idee der Dynastie und ihrer Rolle innerhalb des fürstlichen Rangbe-
wußtseins ausführlich auch Abschnitt V.3.9.
16 Siehe dazu Abschnitt I.3.4.I.
17 Zu denken ist an Jaromar II., Jaromar III., Wizlaw III. und dessen Bruder Sambor. Bereits Jaro-
mar I. scheint seinen Bruder Tezlaw (im Interesse der Herrschaft des Gesamthauses?) in der Re-
gierung abgelöst zu haben. Siehe dazu insgesamt ScHEiL 1962, S. 7ff., 48ff., 74ff., 79ff., lOlff.
18 Siehe dazu z. B. die Abschnitte 1.3.1.1 oder I.3.3.I.
19 Dazu RucHHÖFT 2006, S. 19; SncHERT 1891-96; KoppMANN 1891a; LiscH 1860e.
 
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