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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0268

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111.4 Verwandtschaftliche Solidarität und Heiratspolitik

253

Das Fürstentum Rügen fiel an Wartislaw IV. von Pommern, weil dessen Vater Bogislaw
IV. mit Wizlaws III. Schwester Margareta verheiratet gewesen war. Die Erbverbrüde-
rung, die seit 1431 zwischen Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Lauenburg bestand
und 1512 förmlich erneuert wurde "', beruhte auf den Eheverbindungen zwischen den
beiden Fürstenhäusern. Unter Umständen hätte sich Mecklenburg also das Herzogtum
Sachsen-Lauenburg einverleiben können, wie umgekehrt natürlich auch Sachsen-Lau-
enburg auf den Erbfall hoffen durfte.

111.4 Verwandtschaftliche Solidarität und Heiratspolitik als
Schlüssel zu Handlungsspielräumen

Wenn es in dem in Abschnitt 111.2.4 zitierten Brief von Albrecht Achilles u. a. heißt, seine
Schwester Dorothea sei ihren Kindern gegenüber Freundschaft schuldig, wofür sie de-
ren Unterstützung in Fragen des Unterhalts einfordern könne, dann umschreibt das ge-
nau den zu Eingang dieses Kapitels angesprochenen engen Konnex von Freundschaft
und Verwandtschaft, wie er für die Zeit ganz charakteristisch ist. Diese Verbindung
bringt die Verwandtenpflicht nahe, miteinander friedlich umzugehen sowie einander
Fürsorge und Unterstützung angedeihen zu lassen/"
Das Gebot verwandtschaftlicher Solidarität konkretisierte sich am ehesten in Kri-
senfällen, wie sie Phasen von Vormundschaftsregierungen oder Kriegszeiten darstell-
ten, in der dynastischen Bündnispolitik und bei der Versorgung der Witwen und unver-
heirateten Töchter der Familie. Es wurde schon bei der Untersuchung der fürstlichen
Bündnispolitik angesprochen, daß sie ein gewisses Gegengewicht zu den hierarchisch
geprägten Lehns- und Dienstverpflichtungen darstellte, weil hier zwei oder mehrere
Bündnispartner vorbei an geltenden ständischen Hierarchien gewissermaßen auf glei-
cher Augenhöhe miteinander einen Pakt welcher Art auch immer schließen konnten/^
Einen zusätzlichen Gegenpol bildete die in der Realität ohnehin stark in die Bündnis-
verhältnisse einfließende Verwandtschaft, denn auch sie strukturierte die Beziehungen
der einander zugeordneten Personen prinzipiell auf egalitärer Ebene. ^ Doch handelt es
sich, wie ebenfalls schon gesagt wurde, bei Lehns- und Dienstverpflichtungen, Bünd-
nisverträgen und Verwandtschaft wohlgemerkt um Gegenpole innerhalb eines politi-
schen Systems bzw. um sich komplementär zueinander verhaltende Bestandteile des
fürstlichen Handelns der Zeit. Manchmal griffen die Pole auch ineinander über, etwa
wenn Lehnsherr und Lehnsmann über eine Eheverbindung eine Heiratsverwandtschaft
herstelltenA
Die Verwandtschaft war in Agnaten, Kognaten und Heiratsverwandte gegliedert,
wobei diese drei Verwandtengruppen im verwandtschaftlich-solidarischen Sinne ne-
beneinander existierten und agierten. Ein durchgängiges Übergewicht einer der ge-

321 Dazu Abschnitt 1.3.2.3.
322 SriEss 1993, S. 530.
323 Siehe Abschnitt 1.3.2.5.
324 So auch der Schluß bei SriEss 1993, S. 530.
325 So etwa Heinrich der Löwe, der seine Bastardtochter Mechtild Heinrich Borwin I. zur Frau gab
oder Karl IV., der Elisabeth von Pommern-Stolp ehelichte.
 
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