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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0043

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28

I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

1.3.1 Im Schutz der Vasallität
Mit Rat und Tat zu mehr Handlungsspielraum? Ein von den Fürsten und Herren des
südlichen Ostseeraums seit ihrer Einbeziehung in die abendländische Herrschaftsord-
nung praktiziertes und offensichtlich ganz probates Mittel zur Sicherung, ja sogar Aus-
weitung eigener Handlungs- und Entscheidungsspielräume war der Schritt in die Va-
sallität. Zugegebenermaßen erfolgte dieser oft keineswegs zwangsfrei. So blieb etwa
den Rügenfürsten nach 1168 aufgrund des nahezu permanenten Drucks von seiten Dä-
nemarks gar keine andere Wahl, als sich in die Vasallität des dänischen Königs zu bege-
ben und dort auch zu verbleiben.*^ Das bedeutete nun freilich keinen Nachteil, sondern
mehr als einmal erfuhren sie als Lehnsmänner im Sinne der Schirmverpflichtung des
Lehnsherrn die dänische Unterstützung bei Streitigkeiten mit anderen Nachbarn. Um
ein Beispiel zu nennen: Im Grenzstreit zwischen Rügenfürst Jaromar I. und der pom-
merschen Herzoginwitwe Anastasia, den wir auf die Zeit zwischen 1193 und 1202 zu
datieren haben, urteilte König Knud VI. zugunsten seines Lehnsmanns Jaromar, daß die
Länder Tribsees und Wusterhusen nicht den pommerschen Burgen Wolgast oder Gütz-
kow unterstellt, sondern von ihm an Jaromar zu Lehen gegangen seien.' "' Jaromar, dem
zuvor schon vom König die Vormundschaft über die noch unmündigen pommerschen
Herzogssöhne Bogislaw II. und Kasimir II. unter Ausschaltung des eigentlichen Vor-
munds Wartislaw Swantiboriz übertragen worden waW*, konnte so seine damalige Vor-
machtstellung auf dem vorpommerschen Festland weiter ausbauen.

1.3.1.1 Väs%Hz'hifswec7ise?.' Folgen
Doch läßt sich genauso beobachten, daß die Fürsten und Herren von sich aus mit ihrem
ganzen Herrschaftsbereich oder auch nur mit einem Teil davon in den Lehnsverband
einer hegemonialen Macht eintraten, wenn es die Verhältnisse angeraten erscheinen lie-
ßen. Sie wechselten nicht nur unter verändertem Außendruck, sondern gleichfalls auf
eigene Initiative den Lehnsherrn oder wurden Vasall eines weiteren, wenn es die politi-
schen Bedingungen erlaubten bzw. erforderlich machten. Immer wieder scheint dabei
das Ausnutzen der Konkurrenz und Gegensätze der auf den Raum von außen einwir-
kenden Vormächte genau an den Interessensschnittstellen als geradezu übergeordnete
Gesetzmäßigkeit fürstlichen Handelns auf. Wartislaw I. etwa, kaum daß er von Boleslaw
III. unterworfen worden war, dehnte Mitte der 1120er Jahre seinen eigenen Herrschafts-
bereich über die Oder hinweg in den nahen Peenebereich aus, wohin der Arm des polni-
schen Herzogs nicht mehr reichte, wo aber der sächsische Herzog und baldige römische
König Lothar von Süpplinburg eigene Interessen verfolgte.*^ Indem nun Wartislaw al-
lem Anschein nach Lothars Anspruch auf Oberherrschaft des Reiches über das heutige
Vorpommern respektierte*^, und - auf Boleslaws Druck hin - gleichzeitig mehrfach das
129 HAMANN 1933, S. 5-48.
130 PUB I, Nr. 125 = FABRicius 11.1, Nr. 4 = DD 1.3, Nr. 202. - Siehe auch UsiNGER 1863, S. 279.
131 Ann.Dan. S. 92 zu 1189: Expedih'o nd SUaM??i /nein est. UrmnrMS JäctMS est tidor /ihorrun ÜMgizUi;
Ann.Ryenses, S. 404. - Vgl. dazu ScHEiL 1962, S. 9; ScHOEBEL 1999, S. 179; WEHRMANN 1982, I,
S. 91; DERS. 1923,1, S. 37; UsiNGER 1863, S. 278. - Zu Bogislaw II. und Kasimir II. HÄCKERMANN
1876, S. 41f.
132 SLASKi 198?. S. 31; PETERSOHN 1983, S. 102f. u. 1979, S. 220; BRÜSKE 1955, S. 91ff.; BERNHARDi 1879,
S. 18ff. - Möglicherweise war Boleslaw III. aber zuerst über die Oder nach Westen vorgestoßen:
ZlENTARA 1970, S. 205ff.
133 PETERSOHN 1983, S. 102f., Anm. 7.
 
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