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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0273

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IV. Die verfassungsrechtliche Stellung

Im 15. Jahrhundert wurde die Reichsbindung trotz aller Königsferne weiter gefestigt."
Das Reich indes läßt sich als Lehnsverband mit dem Kaiser als Lehnsherrn an der Spitze
und den Reichsfürsten als seinen unmittelbaren Vasallen definieren/ Seit wann aber
waren die Fürsten des südlichen Ostseeraums überhaupt Reichsfürsten?

IV.l Die Sonderstellung der Fürsten von Rügen

Doch zuerst zur verfassungsrechtlichen Ausnahme, zumindest was den Vergleichsrah-
men der slawischstämmigen Fürsten und Herren im Nordosten des Reiches anbelangt:
den Rügenfürsten. Sie führten seit dem Verlust des slawischen Kleinkönigtitels bis zu
ihrem Aussterben im Jahre 1325 den pn'nceps-Titel, ohne je in irgendeiner Form vom Kai-
ser zu Reichsfürsten erhoben oder als solche anerkannt worden zu sein/ Das liegt da-
ran, daß im slawisch geprägten Raum ein bis ins 14. Jahrhundert hinein ähnlich unspe-
zifischer Charakter der Benennung als pn'nceps wie im Reich vor dem Hoftag von
Gelnhausen begegnet/ Auch für die Rügenfürsten trifft folgerichtig die seit dem 12. Jahr-

auch NowAK 1996, S. 82f., 88; ZiENTARA 1969, S. 19 im Gegensatz zu NowAKOwsKi 1988; LABUDA
1948, S. 189; GÖRSKi 1947, S. 948. - Zu untersuchen bliebe, ob etwa die Einladung Bogislaws X.
zur Wahl des neuen polnischen Königs im August 1501 (SzuLTKA, Nr. 138) vom polnischen An-
spruch einer Lehnshoheit oder von den engen dynastischen Verbindungen zu Polen herrührten.
Bogislaw jedenfalls sagte seine Teilnahme ab (Nos o& temporum uugusttu;?; [...] oem're uut mit tere
non pofuimus; ebda. Nr. 139).
6 Dazu SCHUBERT 1979, S. 77ff., bes. S. 82.
7 Vgl. dazu allgemein etwa STOLLBERG-RiLiNGER 2006, S. 18; KRIEGER 1979; SCHUBERT 1979. - Der
Interpretationsansatz von MARQUART 1999, daß es unterhalb des Kaisertums nur eine einzige
relevante Verfassungsebene, nämlich etwa 10.000 lokale Herrschaftszentren, gegeben habe, ver-
fängt dagegen nicht. Siehe dazu etwa die berechtigte Kritik bei MoRAw 2006, S. 161f. (»Konstruk-
tion, die unser sozial- und wirtschaftsgeschichtliches Wissen leugnet, damit sie perfekt und
lückenlos sein kann.«).
8 Der Rügenfürst Tezlaw war von Helmold noch als König bezeichnet worden. Die Existenz eines
slawischen Königs war für die Zeitgenossen offenbar eine Besonderheit: Aitern ;';;s;du, touge mu-
ior, esf cowfrn Wdzos posttu, punm ;';;co?;mf Ru;;;', pu; et Rugtu;;;', ge;;s /orfissimn SinnorMm, pu; soii im-
de;;t regem (Helmold 1.2). Nach der dänischen Eroberung Arkonas wird Tezlaw dann als pn'uceps
betitelt: Z.B. Saxo 870: Eo tempore prmceps Rugtue Tefpztuous cum Jun'muro Jrntre superoemeus
(1170?). - Zur Bezeichnung als prmceps noch im 14. Jahrhundert siehe z.B. PUB VI, Nr. 3884 -
FABRicius IVA, Nr. DCLXVI (904): [...] Wizzint'us de;'gruciu pn'nceps RMipmorm?; [...] (2. November
1325); auf deutsch etwa ebda., Nr. 3620: [Wi Wijztuwe ou;; der g/umde godes purste tu Pupen [...]. Es
handelt sich aber nicht nur um eine Selbstbenennung, sondern auch um eine Betitelung von an-
derer Seite, siehe z.B. PUB V, Nr. 2706: König Erich von Dänemark und Herzog Christof von
Hailand verschreiben co;;su;;gu;';;eo uostro Lirissimo dommo W[izlao] de; gruciu prmcip; RuipmorMm
diustr; 1.200 Mark Wendisch zur Freimachung seines Landes Gnoien (13. Januar 1312). - Der 1325
das Erbe Wizlaws III. antretende Wartislaw IV. von Pommern nannte sich folgerichtig ebenfalls
pr;';;ceps Pugmnorum (siehe z.B. die Erstbenennung vom 26. November 1325 in: PUB VI,
Nr. 3891). - Die Bezeichnung der Rügenfürsten als Herzoge kommt nur historiographisch vor,
siehe z. B. PUB V, Nr. 2797: dertug Wifztu/Js duutter u/JRpe;;, nach Huitfeldt.
9 So ScHLiNKER 1999, S. 198, auch 145, nach FiCKER 1861,1, S. 30ff. Siehe etwa für Pommern: PUB I,
Nr. 54 ([16. August] 1170): [...] Cuzimerus De; grutiu Po;?;eruHortu?; pr;';;ceps [...], 62 (1174): [...] Ego
Ruzimurus Dimmewsmm et Pomeruuorum pn'uceps [...], 63 (1773/76): [...] Ego Buguztuus De; grutiu
Pomenrnorum dux [...]; für Mecklenburg z.B. MUB I, Nr. 152 (1192): [...] Nos de; gruttu Eteturtcus
Burw;';;MS Mugnopodtunorum et Kpzzeuorum pn'nceps [...]. - Diese Betitelung kommt aber nicht nur
bei Selbstbezeichnungen vor. Siehe z.B. für Mecklenburg die Urkunde Bischof Bernos von
 
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