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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0026

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I. Der Raum, seine Kräfte und seine
Herausforderungen

Wenden wir uns als erstes dem Raum bzw. der Region als einer für unsere Thematik
ganz wesentlichen Koordinate zu. Der Raum bestimmte die politischen Rahmenbedin-
gungen mit, denen eine Fürstenherrschaft unterlag, und er gab die materiellen und per-
sonellen Ressourcen vor, die ihr zur Verfügung standen. Er bestimmte die Nachbar-
schaft und prägte so vielfach auch der Verwandtschaft seinen Stempel auf, pflegten die
Beziehungen im Innern eines bestimmten Raumes doch zumeist dichter zu sein als die
nach außen/
Die Frage nach Raumbezügen und Raumvorstellungen ist durch die verstärkte Un-
tersuchung politisch und gesellschaftlich relevanter Beziehungsgeflechte zeitweilig
spürbar in den Hintergrund des Forschungsinteresses getreten, gerade in letzter Zeit
aber - oft unter dem Schlagwort des spatial turn' - wieder als wissenschaftliches Anlie-
gen hohen Ranges etabliert worden/ Der 45. Deutsche Historikertag, der im Jahre 2004
in Kiel stattfand, stand nicht von ungefähr unter dem Oberthema »Kommunikation und
Raum«. Besonders im Sinne umfassender Struktur- und Konstellationsanalysen er-
scheint die Einbeziehung der Raumperspektive nicht nur als wünschenswert, sondern
als nahezu unumgänglich/ Maßgeblich ist dabei das Verständnis von Raum als sozial
konstituierte bzw. »produzierte« Größe wie die Vorstellung von seiner Rolle für die
Herstellung sozialer Beziehungen/ Bezogen auf das politische Handeln im mittelalterli-
chen Reich wird Raum so als eine azentrisch aufgebaute und funktionierende, »territo-
rial nicht fixierbare Einheit gemeint, die Fürsten und Große eines Gebiets als gemein-
same Raumbasis empfanden, die vielfach auch einen genealogischen Lebensraum<
verwandtschaftlicher Beziehungen der Großen darstellte.«'' Annähernd synonym dazu
wird von »historischer Landschaft« oder von einem - schon in der Einleitung erwähn-
ten - »interterritorialen System« gesprochen.
In unserer Untersuchung stehen die Herrschaftskomplexe der Fürsten und Herren
von Mecklenburg, Werle, Pommern und Rügen vom ausgehenden 12. bis zum Beginn

1 So etwa auch MoRAw 1984, S. 97.
2 Zu Begriff und Methodik siehe BACHMANN-MEDiCK 2006, S. 284-328; OSTERHAMMEL 1998.
3 BoLLBUCK 2006; MoRAw 2002b. Moraw unterstreicht vielfach die Notwendigkeit des Raumbe-
zugs historischer Forschung. Siehe z.B. MoRAw 1999, 1998, 1997a u. b, 1993, 1990, 1987. In DERS.
1997 werden Bezüge zwischen dem Heiratsverhalten der Landgrafen von Hessen und dem
Raum hergestellt.
4 Vgl. dazu auch die kurzen Bemerkungen allgemeiner Natur bei EHLERS 2001, S. 37.
5 Dieser Blickwinkel leitet sich vom Raumbegriff her, wie ihn der Marxist Henri Lefebvre in die
Diskussion eingebracht hat. Vgl. LEFEBVRE 2007 bzw. DERS. 1974. Siehe zur damit einhergehen-
den »spatialization of time and history« SojA 1996, S. 170, ebenso die kurzen Bemerkungen bei
SEiBT 1995, S. 12f. (mit der Bemerkung »Jedenfalls sind Raum und Zeit miteinander noch immer
Stiefgeschwister«).
6 Zitat aus SCHUBERT 1979, S. 316. Auch zum Folgenden.
 
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