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I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen
des 16. Jahrhunderts im Mittelpunkt/ Der so umschriebene geographische Bereich ist
mit dem südlichen Ostseeraum identisch^, also jener Großlandschaft bzw. Region, die in
ihren Grenzen klar durch die Ostseeküste im Norden, durch den Unterlauf der Elbe im
Westen, durch den der Weichsel im Osten sowie durch das Niederungsgebiet der Eide,
den Südrand der mecklenburgisch-uckermärkischen Seenplatte und den Strombereich
von Oder, Warthe und Netze im Süden definiert ist. Nicht nur geographisch, sondern
auch historisch, politisch und kulturell bildete dieser Raum in slawischer Zeit und auch
danach eine Einheit, deren Entwicklung und Konsistenz vom »Konzert« der in diesem
Raum befindlichen bzw. von außen auf ihn einwirkenden Mächte im Streit um die Vor-
herrschaft über denselben bestimmt erscheint/
Der südliche Ostseeraum, das hat nicht zuletzt Jürgen Petersohn unterstrichen,
spielte während des Integrationsprozesses der westslawischen Stammesverbände der
Obotriten, Lutizen und Pomoranen in den mittelalterlich-abendländischen Kultur- und
Herrschaftsbereich eine Sonderrolle, lag hier doch das geistige und politische Zentrum
des slawischen Widerstands und wurde genau hier der Kampf um die slawische Selb-
ständigkeit im Wechselspiel des politischen und kirchlichen Expansionsstrebens Däne-
marks, des Reichs und seiner Teilterritorien sowie Polens am spätesten entschieden
(»gentiler Keil«)/° Während indes im Falle Mecklenburgs und Rügens die geographische
Zuordnung weitgehend eindeutig erscheint, ist für den von uns als Pommern verstan-
denen Bereich ein klärendes Wort notwendig: Pommern meint in unserem Fall - unter
generellem Ausschluß des außerhalb des mittelalterlichen Reichs gelegenen Herzog-
tums Pommerellen" - das einstige Herzogtum Pommern, das in späterer Zeit die preu-
ßische Provinz Pommern bilden sollte. Dieses Verständnis von Pommern umfaßt be-
kanntermaßen nur einen Teilbereich des eigentlichen pomoranischen Siedlungs- und
Stammesgebietes, das zwischen Oder und Weichsel lag/' Aus diesem Bereich dehnte
sich die pomoranisch-pommersche Herrschaft seit dem ersten Viertel des 12. Jahrhun-
derts über die Oder nach Westen in lutizisches Stammesgebiet aus, um schließlich zum
»Ostseeküstenstaat« zu werden, der sich in etwa gleichweit beiderseits der Oder nach
Westen und Osten erstreckte. »Pommern ist also, wie sich damit schon andeutet, >her-
ausgewachsen< [...] aus der ethnischen und politischen Substanz des west- bzw. ostsee-
slavischen Siedlungsverbandes der Pomoranen. Es bewahrt wesentliche Merkmale aus
dem Erbe dieses slavischen Großstammes, beschränkt sich aber keineswegs auf sie und
repräsentiert sie auch nicht allein.«^ Damit ist auch schon gesagt, daß es sich bei Pom-
mern nicht um ein Stammesherzogtum im klassisch gewordenen Sinne handelte, son-
7 Siehe dazu auch die betreffenden Karten im Anhang.
8 So verfährt beispielsweise PETERSOHN 1979, S. 4f. - Auch zum Folgenden.
9 MoRAw 1984, S. 96f. rechnet zum so definierten südlichen Ostseeraum im Rahmen seiner Klassi-
fizierung des spätmittelalterlichen Reichsterritoriums in vierzehn Regionen bzw. geographisch-
politischen Einheiten noch das sich südlich daran anschließende Brandenburg hinzu, mit dem
Pommern und Mecklenburg eine gemeinsame (Moraws vierte), von Brandenburg dominierte
Landschaft gebildet hätten. Diese Einteilung beruht auf den Verhältnissen des 14. und 15. Jahr-
hunderts, um die es Moraw explizit geht. Für die Zeit davor, in der Brandenburg keine eindeu-
tige Vorherrschaft über den südlichen Ostseeraum zugesprochen werden kann bzw. dieser
Raum politisch anders ausgerichtet war (siehe dazu das noch Folgende), erscheint eine solche
räumliche Zuordnung weniger sinnvoll.
10 Auf die Zeit vor dem 12. Jahrhundert, vor allem die Vorgänge um den Lutizenbund und den
Lutizenaufstand zu ottonischer Zeit kann hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu z. B.
LÜBKE 2001a, S. 276f.; DERS. 2001; DoNAT 1995 (bes. Karte S. 55); HERRMANN 1985.
11 Vgl. zur Thematik aber die Ausführungen bei BiSKur 1983.
12 Zur Geschichte der Bezeichnung »Pommern« siehe immer noch grundlegend RENN 1937.
13 Zitat aus PETERSOHN 1983, S. 99.
I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen
des 16. Jahrhunderts im Mittelpunkt/ Der so umschriebene geographische Bereich ist
mit dem südlichen Ostseeraum identisch^, also jener Großlandschaft bzw. Region, die in
ihren Grenzen klar durch die Ostseeküste im Norden, durch den Unterlauf der Elbe im
Westen, durch den der Weichsel im Osten sowie durch das Niederungsgebiet der Eide,
den Südrand der mecklenburgisch-uckermärkischen Seenplatte und den Strombereich
von Oder, Warthe und Netze im Süden definiert ist. Nicht nur geographisch, sondern
auch historisch, politisch und kulturell bildete dieser Raum in slawischer Zeit und auch
danach eine Einheit, deren Entwicklung und Konsistenz vom »Konzert« der in diesem
Raum befindlichen bzw. von außen auf ihn einwirkenden Mächte im Streit um die Vor-
herrschaft über denselben bestimmt erscheint/
Der südliche Ostseeraum, das hat nicht zuletzt Jürgen Petersohn unterstrichen,
spielte während des Integrationsprozesses der westslawischen Stammesverbände der
Obotriten, Lutizen und Pomoranen in den mittelalterlich-abendländischen Kultur- und
Herrschaftsbereich eine Sonderrolle, lag hier doch das geistige und politische Zentrum
des slawischen Widerstands und wurde genau hier der Kampf um die slawische Selb-
ständigkeit im Wechselspiel des politischen und kirchlichen Expansionsstrebens Däne-
marks, des Reichs und seiner Teilterritorien sowie Polens am spätesten entschieden
(»gentiler Keil«)/° Während indes im Falle Mecklenburgs und Rügens die geographische
Zuordnung weitgehend eindeutig erscheint, ist für den von uns als Pommern verstan-
denen Bereich ein klärendes Wort notwendig: Pommern meint in unserem Fall - unter
generellem Ausschluß des außerhalb des mittelalterlichen Reichs gelegenen Herzog-
tums Pommerellen" - das einstige Herzogtum Pommern, das in späterer Zeit die preu-
ßische Provinz Pommern bilden sollte. Dieses Verständnis von Pommern umfaßt be-
kanntermaßen nur einen Teilbereich des eigentlichen pomoranischen Siedlungs- und
Stammesgebietes, das zwischen Oder und Weichsel lag/' Aus diesem Bereich dehnte
sich die pomoranisch-pommersche Herrschaft seit dem ersten Viertel des 12. Jahrhun-
derts über die Oder nach Westen in lutizisches Stammesgebiet aus, um schließlich zum
»Ostseeküstenstaat« zu werden, der sich in etwa gleichweit beiderseits der Oder nach
Westen und Osten erstreckte. »Pommern ist also, wie sich damit schon andeutet, >her-
ausgewachsen< [...] aus der ethnischen und politischen Substanz des west- bzw. ostsee-
slavischen Siedlungsverbandes der Pomoranen. Es bewahrt wesentliche Merkmale aus
dem Erbe dieses slavischen Großstammes, beschränkt sich aber keineswegs auf sie und
repräsentiert sie auch nicht allein.«^ Damit ist auch schon gesagt, daß es sich bei Pom-
mern nicht um ein Stammesherzogtum im klassisch gewordenen Sinne handelte, son-
7 Siehe dazu auch die betreffenden Karten im Anhang.
8 So verfährt beispielsweise PETERSOHN 1979, S. 4f. - Auch zum Folgenden.
9 MoRAw 1984, S. 96f. rechnet zum so definierten südlichen Ostseeraum im Rahmen seiner Klassi-
fizierung des spätmittelalterlichen Reichsterritoriums in vierzehn Regionen bzw. geographisch-
politischen Einheiten noch das sich südlich daran anschließende Brandenburg hinzu, mit dem
Pommern und Mecklenburg eine gemeinsame (Moraws vierte), von Brandenburg dominierte
Landschaft gebildet hätten. Diese Einteilung beruht auf den Verhältnissen des 14. und 15. Jahr-
hunderts, um die es Moraw explizit geht. Für die Zeit davor, in der Brandenburg keine eindeu-
tige Vorherrschaft über den südlichen Ostseeraum zugesprochen werden kann bzw. dieser
Raum politisch anders ausgerichtet war (siehe dazu das noch Folgende), erscheint eine solche
räumliche Zuordnung weniger sinnvoll.
10 Auf die Zeit vor dem 12. Jahrhundert, vor allem die Vorgänge um den Lutizenbund und den
Lutizenaufstand zu ottonischer Zeit kann hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu z. B.
LÜBKE 2001a, S. 276f.; DERS. 2001; DoNAT 1995 (bes. Karte S. 55); HERRMANN 1985.
11 Vgl. zur Thematik aber die Ausführungen bei BiSKur 1983.
12 Zur Geschichte der Bezeichnung »Pommern« siehe immer noch grundlegend RENN 1937.
13 Zitat aus PETERSOHN 1983, S. 99.