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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0028

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I. Der Raum, seine Kräfte und seine Herausforderungen

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dem um ein territorial-dynastisch und kirchlich neudefiniertes Gebilde, dessen Ein-
wohner, ursprünglich teils slawische Pomoranen, teils slawische Lutizen, bald dann
auch im Zuge der Ostsiedlung deutsche Zuwanderer, zum niederdeutschen Neustamm
der Pommern verschmolzen.^ Die sich innerhalb des obotritischen »Territorialrestes«
Mecklenburg vollziehende Genese der slawischen Obotriten gemeinsam mit lutizischen
Stämmen und deutschen Einwanderern zum Neustamm der Mecklenburger verlief un-
ter ganz ähnlichen Vorzeichen.*" Auch auf Rügen wäre die wirtschaftliche, soziale,
sprachliche und religiöse Assimilierung der dort ansässigen slawischen Ranen oder Rü-
gier gewiß auf die Bildung eines rügischen Neustammes hinausgelaufen, doch ver-
mochte sich ein wohl im Ansatz schon vorhandenes Neustammbewußtsein wegen des
frühzeitigen Aufgehens des rügischen Fürstentums im größeren pommerschen Herr-
schaftsbereich nicht weiter zu entwickeln bzw. voll auszubilden.
Gerade war schon die Rede von der besonderen Rolle des slawisch-paganen Wider-
stands gegen Eroberung und Christianisierung durch die Nachbarn. Die damaligen Ge-
schehnisse bilden die Grundlage für die weitere Geschichte dieses Raums und geben
bereits einen tieferen Einblick in etwaige Antworten auf die Herausforderungen, welche
der Raum und seine Gegebenheiten an fürstliches Handeln stellen konnten und stellten.
Eines besseren Verständnisses wegen seien die Ereignisse daher an dieser Stelle kurz
erwähnt.
Schon vor und während der Christianisierung im 12. Jahrhundert erwies sich eine
allein kriegerische Option bei der nahezu vollständigen »Einkreisung« durch die christ-
lichen Mächte, die zusammengenommen den Westslawen militärisch offensichtlich
überlegen waren, auf Dauer als wenig sinnvoll/" Boleslaw III. von Polen unterwarf das
Pommern Wartislaws I. in mehreren Feldzügen bis 1121 seiner Hoheit", Heinrich der
Löwe schlug die Obotriten Niklot und Pribislav entscheidend 1160/63*", Waldemar I. von
Dänemark besiegte die Rügier mit der Eroberung Arkonas endgültig 1168". Die militäri-
sche Option trug von slawisch-paganer Seite aus gegenüber diesem äußeren Druck ei-
nen ohnehin eher defensiven Charakter/" Selbst die immer wieder bis in die 1180er Jahre
hinein erfolgenden Angriffe slawischer Piraten auf die dänische Küste lassen sich so in-
terpretieren/* Nach den einzelnen Niederlagen bedeutete der erste Schritt zur Wieder-
erlangung überhaupt irgendeiner Handlungsoption zunächst einmal in jedem Falle die
Anerkennung der christlichen Sieger und der neuen Machtverhältnisse und die Einwil-
ligung in die Siegerbedingungen. Diese umschlossen mehr oder minder einheitlich die
Annahme der Oberhoheit des jeweiligen Siegers, Tributleistungen, in einem künftigen
Kriegsfall Gewährung bewaffneter Hilfe und nicht zuletzt die Annahme des christli-
chen Glaubens." Es erfolgte damals also noch keine idealtypische Eingliederung der
Besiegten in vasallitisch-lehnsrechtliche Verhältnisse. Sonst jedenfalls wäre von den sla-
wischen Fürsten für die Zukunft doch wohl nur die Leistung von ei consiÜMW

14 Zum Vorgang vgl. DERS. 1988.
15 MÜNCH 2000a u. DERS. 2000, S. 32ff. - Siehe dazu insgesamt auch SCHEIBE 1998.
16 Siehe zum Verlauf der Ereignisse etwa MÜNCH 1998; KATTiNGER 1995; GAETHKE 1994-96; LucHT
1984; HAMANN 1968, S. 68ff.; BoLLNOw 1960; EGGERT 1928 u. 1927.
17 SzuLTKA 2006, Nr. 10f.; PiSKORSKi 1999, S. 36; SLASKi 1987; PETERSOHN 1983, S. 102. - Zu Wartis-
law I. siehe PiSKORSKi 2002; v. BÜLOw 1896.
18 MÜNCH 2000, S. 25ff.; RÜHBERG 1996; DoNAT 1995, S. 25; HAMANN 1968, S. 68ff. - Siehe zu den
Fürsten LÜBKE 2002 u. 2002a; SEiBERT 1999; KRAUSE 1886, S. 575f.
19 DRALLE 2002; WERLiCH 1996 mit der dort angeführten Literatur.
20 DoNAT 1995, S. 25 spricht etwa von »Abwehrkämpfen«.
21 Vgl. dazu nur GAETHKE 1994, S. 34f.; HAMANN 1968, S. 81; EGGERT 1928, S. 1.
22 Für Pommern PETERSOHN 1983, S. 102; für Rügen DERS. 1979, S. 440ff.
 
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