Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0281

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
266

IV. Die verfassungsrechtliche Stellung

daß die Herzoge von Pommern seither zu den Reichsfürsten gerechnet wurden^, wird
heute abgelehnt. Der Vorgang wird vielmehr so verstanden, daß Barbarossa damals ein
unmittelbares und - für slawische Gebiete ganz typisch - tributäres Vasallenverhältnis
zu den Pommernfürsten herstellte und ihren politischen Rang durch Anerkennung als
Siauic zwar auch erhöhte, sie aber nicht in den Reichsfürstenstand erhob, sondern
Pommern eine eigenständige Stellung einnehmen ließ, welche dem zeitweiligen Status
etwa Polens, Böhmens oder auch Dänemarks ähnelte." Die Vorteile, die Bogislaw" durch
diese Lehnsnahme erlangte, sind offensichtlich: Vorbei am sächsischen Herzog erreichte
er die direkte Unterstellung unter den Kaiser, was zugleich auch gegen dänische und
brandenburgische Ambitionen schützte. Im Windschatten des Kaisers hatte er sich da-
mit kurzfristig einen bedeutenden Handlungsspielraum verschafft. Nur kurzfristig
aber deswegen, weil diese Vorteile, anders als es vielleicht zunächst den Anschein er-
weckt hatte, mit dem Abrücken des Kaisers aus dem Reichsnorden und der erneuten
Verlagerung seines politischen Schwerpunkts auf Reichsitalien schlagartig ihre Wir-
kung versagten. Tatsächlich mußte sich Bogislaw nach zähen Kämpfen im Jahre 1185
dem Dänenkönig Knud VI. unterwerfen, sein Land im Jahr darauf von diesem zu Lehen
nehmen und ihm in Roeskilde das Schwert voran tragen." Damit aber bestand die un-
mittelbare Verbindung zum Reichsoberhaupt nicht mehr. Und sie wurde, anders als bei
den benachbarten Mecklenburgern, auch nicht wiederhergestellt, als die dänische Vor-
machtstellung über Norddeutschland 1227 zusammenbrach. '' Vielmehr unterstellte
Kaiser Friedrich II. 1231 Pommern auf Initiative der Markgrafen von Brandenburg de-
ren Hoheit, drückte damit die Herzoge aus der Stellung von Direktbelehnten in die von
Aftervasallen hinab und behandelte das Herzogtum, anders als sein Großvater 1181,
nicht als außerhalb des Reichsverbands stehend, sondern als direktes Reichsgebiet."
Diese kaiserliche Entscheidung haben die Pommernherzöge nicht anerkannt, haben
gleichzeitig aber auch nicht dagegen protestiert oder sich um deren Revision bemüht.
Offensichtlich erkannten die damaligen Akteure nicht die Tragweite des Vorgangs, wel-
cher für den Verlauf der weiteren pommerschen Geschichte einschneidende Bedeutung
erlangen sollte. Über eigene militärische oder politische Mittel, sich erfolgreich gegen
die brandenburgische Oberhoheit zur Wehr zu setzen, verfügten sie damals jedenfalls
nicht." Nach einigen Kämpfen mußte Barnim I. 1234/36 für sein Herzogtum Stettin die

scUaie duces appeiUt. - KATTiNGER 1995, S. 81f.; PETERSOHN 1983, S. 1056; LuBENOw 1972; LucHT
1968; CuRSCHMANN 1937.
52 CuRSCHMANN 193/ S. 1/ 32ff. und auch noch JORDAN 1979, S. 208. - Die Indizien, welche für eine
solche Interpretation sprechen, nämlich das erwähnte Fahnlehen und die Titulatur als Herzoge,
erweisen sich bei genauer Hinsicht als nicht stichhaltig: Erst für das Spätmittelalter gilt der enge
Konnex von Fahn- und Fürstenlehen, und der Titelgebrauch war, wie gesagt, im slawischen Be-
reich lange Zeit völlig unspezifisch. Siehe dazu ScHLiNKER 1999, S. 196ff.; FiCKER 1861,1, S. 30ff.
Vgl. zu den Pommernherzögen ebda., S. 106, 218ff. u. ENGELBERT 1948, S. 97ff.
53 PETERSOHN 1983, S. 1056; LucHT 1968, S. 30; v. NiESSEN 1913, S. 263ff.
54 Saxo ist bei seinem Bericht augenscheinlich ein Irrtum unterlaufen, denn der ebenfalls von ihm
genannte Kasimir war 1181 bereits verstorben. Siehe dazu Arnold 11.17: Circa dies iiios Moriuus esf
KazamarMS princeps PomemHorMm, daci [Heinrich der Löwe, O. A.] a??n'cissi??ms, et de/ecerMHf a& eo
Sciaai, Jmfer eiMS Baggeziaas, impemfori cowiMwcfMS, iromiHirun et friHda ei persoiad.
55 Arnold 111.4 u. 7; Saxo 9326 - Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 1.3.1 u. ScHLiNKER 1999,
S. 198.
56 Zu den Ereignissen GAETHKE 1996; PETERSOHN 1983, S. 108; WEHRMANN 1982,1, S. 96ff.
57 PUB P, Nr. 279 = CDB 11.1, Nr. 20 = UBMeißen III, Nr. 449; RI V.l, Nr. 1918. - Siehe auch PETER-
SOHN 1983, S. 109; ZiCKERMANN 1891 u. 1890. - Die Annahme einer brandenburgischen Oberho-
heit schon von 1198 bis 1211 (RACHFAHL 1892, S. 57ff.) ist wohl abzulehnen.
58 Siehe dazu LucHT 1965.
 
Annotationen