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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Heckmann, Marie-Luise: Der Fall Formosus. Ungerechtfertigte Anklage gegen einen Toten, Leichenfrevel oder inszenierte Entheiligung des Sakralen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0225

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Marie-Luise Heckmann

bei drei weiteren Synoden bestätigt. Im westfränkischen Troyes soll Formosus
dem Papst sogar persönlich seine Schuld eingestanden haben. Das hieß für ihn le-
benslängliches Exil und Ausschluss von der Klerikerkommunion. Dieses Urteil
hat er schriftlich und durch Eid bestätigt.
Johannes VIII. fand im Dezember 882 einen gewaltsamen Tod. Sein Nachfol-
ger war Bischof Marinus. Dieser Papst gehörte einer anderen Parteiung an als sein
ermordeter Vorgänger. Er ließ Formosus daher wieder nach Rom kommen, löste
ihn von seinen Eiden und setzte ihn erneut zum Bischof ein. Der nachfolgende
Papst versäumte es, seine Wahl dem neuen Kaiser Karl dem Dicken mitzuteilen.
Die Miss-Stimmung, die nun zwischen Kaiser und Papst aufkam, konnte erst
durch die Anerkennung der Constitutio Romana von 824 beigelegt werden. Auch
Stephan V. (885-891) war kein langer Pontifikat beschieden. Im Jahre 891 bestieg
stattdessen Formosus, inzwischen ja Bischof von Porto, die cathedra beati Petri. Er
soll nach jüngeren Aussagen zunächst von Klerus und Adel der Stadt Rom er-
wählt, sodann feierlich von seinem Bischofssitz in Porto eingeholt und schließlich
von den suburbikarisehen Bischöfen ebenfalls ohne Zwang gekrönt worden sein.
Da er zu diesem Zeitpunkt schon Bischof war, hätten ihn die Konsekratoren aller-
dings nur in ihre Gebete eingeschlossen, statt ihn zum Bischof von Rom zu salben.
Als legitimer Papst inthronisiert, habe Formosus zum Abschluss der Erhebung die
üblichen Huldigungen aller Beteiligten entgegengenommen2.
Die Probleme, vor die sich Formosus zu Lebzeiten gestellt sah, waren weniger
kirchenrechtlicher als politischer Natur. Er erkannte zwar den noch von seinem
Vorgänger zum Kaiser gekrönten Herzog von Spoleto als legitim an und krönte
Widos Sohn Lambert 892 zum Mitkaiser. Als aber der Anhang beider Kaiser auf
Rom Übergriff, ersuchte Formosus den Karolinger Arnulf um Hilfe. Der Papst ent-
lohnte die erbetene Unterstützung wiederum mit einer Kaiserkrönung. Arnulf
schied jedoch ebenfalls schnell aus dem Leben. Die Entfremdung zwischen den
Karolingern und Italien, die an den drei genannten Kaiserkrönungen ablesbar ist,
sowie der fehlende kaiserliche Schutz für das Papsttum und die Stadt Rom, der
daraus resultierte, waren vor allem für die ältere Forschung der Schlüssel zum
Verständnis der innerrömischen Wirren jener Jahre3.
Das römische Volk erhob dann nach dem Tod des Formosus einen ehemaligen
römischen Kleriker und Sohn eines Bischofs tumultuarisch zum Papst, obwohl Bo-
nifaz VI. dem Priesteramt längst entsagt hatte und auch niemals wieder in sein
Amt eingesetzt worden war. Er behielt die Papstwürde nur für wenige Monate bei,
und Johannes IX. ließ seine Wahl schon 898 auf einer römischen Synode verurtei-

2 Nikolaus Gussone, Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum
12. Jahrhundert. Zur Beziehung zwischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht
und Liturgie im christlichen Verständnis von Wort und Wirklichkeit (Bonner Historische For-
schungen 41), Bonn 1978, S. 200-213, bes. S. 204-210.
3 Charles Joseph Hefele/Henri Leclercq, Histoire des conciles. Bd. 4/2, Paris 1911 (ND Hil-
desheim/New York 1973), S. 708-719; Girolamo Arnaldi, Papa Formoso e gli imperatori
della casa di Spoleto, in: Annali della Facoltà di Lettere. Università di Napoli 1,1951, S. 548-551;
Sebastian Scholz, Studien zum Bistumswechsel der Bischöfe von der Spätantike bis zum
Hohen Mittelalter (Kölner Historische Abhandlungen 37), Köln u.a. 1992, S. 222-224.
 
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