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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0143
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142

IVI Problematisierungen

tragend? Angesichts des Charakters mittelalterlicher Kriegsdefinitionen muss
zunächst konstatiert werden, dass gegenüber modernen, handlungsbezoge-
nen Definitionen stärker rechtliche Aspekte im Vordergrund standen: Ver-
schiedene Modi des Krieges legten fest, wer unter welchen Umständen krie-
gerische Gewalt an wenden durfte. Ob eine Auseinandersetzung ein Krieg
war, oder nicht, war also eine Frage der Berechtigung, nicht des Agierens mit
Waffengewalt. Da diese Feststellung für eine historische Analyse zwar wert-
voll, nicht aber erschöpfend ist, soll im Folgenden in mehreren Schritten die
mittelalterliche Vorstellungswelt des Krieges näher untersucht werden.

111.1 Der fmagmanr des Krieges: Ordnung und Regulierungsfähigkeit
Krieg galt als notwendiger Bestandteil der irdischen Ordnung und wurde als
solcher nicht als Problem angesehen, sondern als Normalität. Diese Normali-
tät findet ihren Ausdruck auch darin, dass der Krieg genau definiert und in
seiner Ausübung als weithin geregelt angesehen wurdet

Die Ästhetik der Ordnung
Viele Chronisten äußerten sich begeistert und fasziniert über die geordnete
Aufstellung eines Heeres bei großen Feldschlachten. Ausführlich wurde ihre
Aufteilung in (meist drei) beschrieben, deren Anführer und weitere
adlige Teilnehmer jeweils genau aufgelistet wurden.^ Mehrfach wurde die
Ordnung des aufgestellten Heeres explizit als ,schön' bezeichnet (hdU ordon-
nance)^ und Froissart schwärmte geradezu davon, wie die Banner und Fah-
nen mit den Wappen der Adligen im Wind flatterten und in der Sonne strahl-
ten.^ ,Schönheit' war nach Thomas von Aquin durch Perfektion, Proportiona-
lität und Klarheit bedingt, denn „die Sinne erfreuen sich an wohlproportio-

Vgl. Nicholson, Medieval warfare, S. lf.; siehe dazu auch Kortüm, Kriege, S. 42f.
is Siehe dazu Stölting, Gewalt, S. 56f.
i9 Chronique des quatre premiers Valois, S. 16, 57,108,178f., 231, 306; Froissart, Chroniques (liv. I
& II), S. 570f (1,274), 919 (11,86); Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 5, S.22f. (1,379) und 31f. (1,383);
Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 164, 188, 210-212; Bd. 2, S. 504; Bd. 3, S. 108 und 412; Bd. 4,
S. 482; Bd. 5, S. 556-558; Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 103-105. Vgl. zum taktischen Aspekt
Contamine, Guerre au Moyen Age, S. 379-389. Solche Auflistungen finden ihre Parallele in den
summarischen Abhandlungen der (adligen) Gefangenen und Gefallenen eines Kampfes und
bilden einen wichtigen Ort adliger Memoria bzw. sozialer Auszeichnung: Prietzel, Tod, S. 62-
66; Oschema, Si fut moult grande perte, S. 109. DeVries, Medieval Warfare, S. 35, fasst diese
Listen darüber hinaus als Beleg dafür auf, dass zumeist nur wenige Adlige von Rang in
Schlachten starben.
98 Chronique des quatre premiers Valois, S. 14 und 189; Journal d un Bourgeois, S. 210 (§403);
Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 175 und 226; Bd. 3, S. 106.
21 Graut NaMÜe cf graut plalsaMCe/M a feoir PordOMMaMCe dM deparfemeMf, COWWCMf CCS Fauleres, ces
penons ef ces esframiers armoies Neu ef ricdemeMf des armes des seigneMrs ueMfedoieMf aM cenf ef res-
pleMdissoieMf aM soled, ef de oi/r ces frompeües ef ces claroMcdiaMÜ refeMÜr ef Fowdir ef aMÜres me-
Mesfreü leMr mesüer de pipes ef de cdalmedes ef de Mac^Mames, tauf (?Me dM sow ef de la uoä* tpu en
t/ssoierd la wer er; referdissoief forde. Froissart, Chroniques (liv. III & IV), S. 461 (IV,13).
 
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