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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0321
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320

IVI Problematisierungen

als Leitfaden für eine ideale Justiz dienen sollte, und für jeden Fall einem
festen Regelsystem gemäß eine bestimmte Strafe vor sah.2'
Dieses Modell spiegelt sich auch in den theoretischen Überlegungen von
Christine de Pisan. In ihrem Uwe de dz ptux trat sie 1412/13 dafür ein, Verbre-
chen jeweils mit ihnen angemessenen Strafen zu sühnen, ohne Ansehen des
Standes und ohne die Justiz zu streng oder zu milde werden zu lassen.^ Die
Todesstrafe, so argumentierte sie mit Rückgriff auf Cicero, sei letztlich auch
ein Mittel, die Gesellschaft zu schützen und zu heitert A Damit wandte sie sich
implizit gegen die damalige Praxis des exemplarischen Strafens, wie sie etwa
der Herzog von Berry in der Darstellung Michel Pintoins gegenüber den Pari-
sern an wenden wollte. Als diese nach dem Aufstand von 1382 um Schonung
baten, argumentierte Berry, dass der König die Pflicht habe, zu strafen - zu-
mindest die Hauptschuldigen.^ Während das bei Aufständen typische
exemplarische Strafen auf Abschreckung zielte, setzten sich Christine de
Pisan, Jean Gerson und Nicolas de Clamanges dafür ein, dass ein Verbrecher
nicht wegen der Wirkung der Strafe auf andere, sondern wegen der Tat selbst
bestraft werden müsse. Dem zufolge sollte jedes Verbrechen unabhängig von
Ansehen und Stand der Betroffenen auf die gleiche Art bestraft werden.^

21 Damit ist das Register, entgegen der Einschätzung von Duples-Agier, Introduction, S. XXIV,
keine ,Kriminalitätsstatistik'. Siehe dazu Gauvard, Grace especial, S. 33-45; Gauvard, Violence
et ordre public, S. 48-51f. und 58f.; Gauvard, De la difficulte, S. 101-105; Gauvard, Humanistes,
S. 51. Zum Konstruktionscharakter rechtshistorischer Quellen generell: Groebner, Ungestalten,
S. 45.
22 Et g dzro z?M0 rstjMstz'co, c'ost s; commo MMO /oi/g//o dospoMsz'oro zjMZ dz'strz'/zMO ot dopgrt g MM c/zgscMM to/
pgrt U porczoM zjMZ hu' ost dzzo pgr sos/gL, soz't & Zzztrn OM de mg/. Christine de Pisan, Livre de la paix,
S. 95 (11,5). Et ooMuz'oMt ggrdor erst uozdo/r et de/g^ ordoMMor z?M0 szzr toMte rztrns ede soz't Jgz'oto g MM
cdgscMM, tgMt gM petzt commo g grgMt, s; zjMO dz't est, sgMS MM/ ospgrgMor, pzzgMor /es de(Jg;//gMS se/oMS /es
dessertes, MOM mz'o eM p/zzs grgMt rzgMOMr zjMO /es egs rozjMz'ort, mgz's dro/tMrzoromoMt, pgr droz't roggrt.
Ebd., S. 99 (11,9). Auch Philippe de Vigneulles lobte die Richter der Stadt Metz, da sie M'eM es-
pgrgMOMt Mzz/z, tgMt soz'oMt grgMd OM petz's. La Chronique de Philippe de Vigneulles, Bd. 2, S. 225;
Verweis bei Gonthier, Chätiment, S. 172. Zur Frage des ,Maßes' der Gerechtigkeit siehe auch
Schuster, Stadt, S. 166-180.
22 Et dzst Tzd/os; Oster /es mgzzvgz's d'eMtre /es /zoMS M'est pgs MMz're, gz'MS est ug/oz'r, s; oommo se gMCMMS
mom/zros de /'ommo/MssoMt/g mors et porrz's pgr mg/gdz'o, /es retreMe/zz'ers et ooppor zz/zM zjM'z/ Me MMz's-
seMt gzn* gMtres seroz't ug/ezzr g komme et MOM MMz'ssgMee gzu mom/zros. Christine de Pisan, Livre de la
paix, S. 99f (11,9).
24 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 240. Siehe zur Forderung nach härteren Strafen auch S. 95,
Anm. 21.
22 Jean Gerson formulierte 1408 in einer gegen Guillaume de Tignonville gerichteten Rede, dass
die Justiz jedem zukommen lassen müsse, was ihm aufgrund seiner Verbrechen gebühre, Ger-
son, Oeuvres, Bd. 7, S. 606 (Nr. 348, Dz/zgzto jMstz'oz'gm). Nicolas de Clamanges sprach sich für
harte Strafen gegenüber Verbrechern aus, Nicolas de Clamanges, Opera omnia, Bd. 1, S. 59 (Do
/gpszz ot ropgrgtz'oMO z'Mstz'tz'go, conclusio). Siehe dazu auch Schulte, Oh roy, S. 218f.; Gonthier,
Chätiment, S. 192f. Letztlich beruht diese Vorstellung auf dem Talionsprinzip nach Ex. 21,23-
25, aus dem Augustinus, Quaest. in Heptateuchum, S. 111 (Quest. Exodi, 80), folgert, dass für
jedes Verbrechen eine entsprechende Strafe festgelegt sein müsse, weil sonst im Umkehr-
schluss unklar sei, wie groß der Akt der Vergebung sei: Do/z;'toros z'gz'tMr /ogo moMstrgMtMr, Mt
zjMgMdo z'gMosoz'tMr gdpgrogt zjMz'd d/mmzttgtMr. Nozjzzo OMz'm do/z/tg d/m/ttoromzzs M/s; zjzzod Mo/zz's do/zoro-
tzzr /ogo z'Mdz'oo dz'sooromzzs. Verweis bei Schuster, Stadt, S. 171f., allerdings nach der alten Edition
von Migne.
 
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