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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0320

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

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ten allzu vieler Verbrecher sei, so ein pragmatisches Argument, ohnehin nicht
möglich: Hätte man 1358 nach der alle Aufständischen getötet, wä-
ren die Felder unbestellt geblieben.^
Damit wurden Barmherzigkeit und Milde zu Idealen.^ Dies sollte jedoch
nicht mit einer Aufweichung der Justiz gleichgesetzt werden, denn das könig-
liche Gnadenprivileg war vor allem wegen der nach war vor möglichen Härte
der Justiz bedeutsam. Gauvard wies in diesem Sinn auf die in Begnadigungs-
briefen häufige Bitte hin, der König möge die Barmherzigkeit der Strenge der
Justiz vorziehen, womit die Entscheidungshoheit des Königs zwischen Härte
und Gnade betont wurdet
Jenseits fixierter Theorien, wie sie im römischen Recht und den CoMÜmms
entworfen wurden, folgten die Strafpraktiken im spätmittelalterlichen Frank-
reich mitunter jedoch einer anderen LogikA Gerade die Strafen des Pariser
Parlaments fielen relativ mild aus: Gegenüber einer Verurteilung stand die
Wiederherstellung des Friedens zwischen den Parteien im Vordergrund, etwa
durch Ehrenstrafen oder Formen der Kompensation.^ Gleichzeitig erreichte
die Zahl der bewilligten Begnadigungen zwischen 1380-1400 einen Höhe-
punkt, wegen dem die königliche Rechtsprechung bald als zu lax kritisiert
wurdet Verschiedenen Seiten forderten ein härteres Durchgreifen, diskutier-
ten die moralischen Qualitäten der Richter sowie die polizeiliche Funktion
der An Pis, deren Aufgabe nun vor allem in der Festnahme von Verbrechern
gesehen wurdet
In Abgrenzung zum königlichen Parlament versuchte das CMtelet als Pari-
ser Gericht Theorie und Praxis in Einklang zu bringen. Als die städtische
Rechtsprechung 1389 zur Aufgabe des Pariser Prenot wurde, gab der damali-
ge Amtsinhaber Jean de Folieville vermutlich eine exemplarische Aufstellung
von Fällen in Auftrag. Der Schreiber des CMfalaf, Aleaume Cachemaree, er-
stellte daher zwischen 1389 und 1392 ein Register von 107 Prozessen, die ins-
gesamt 123 Personen betrafen3" Sein Register war keine systematische Auflis-
tung aller Fälle, sondern eine exemplarische Zusammenstellung, die Richtern

Le songe du Vergier, Bd. 1, S. 344-347, bes. § 7 und 15. Siehe dazu Guenee, Meurtre, S. 102f.
Auch Guillaume de Tignonville betonte 1402 in seinen Ditz worgMÜ, dass der König durch zu
grausame Strafen an Autorität verliere, siehe Eder, Tignonvillana inedita, S. 995. Philosophi-
scher Hintergrund hierfür dürfte die Rezeption der wirkmächtigen Mrsofrs-Lehre Aristoteles'
sein, nach der Tugend in der Mitte zwischen Extremen zu finden sei, vgl. Toste, Virtue, sowie
die Beiträge in: Virtue ethics.
i4 Schuster, Stadt, S. 174—176.
i3 VoMiHMS prc/Acr wi;'scnTor&' g n'gCMr zitiert nach Gauvard, Image, S. 172.
i3 Siehe dazu Gauvard, De la difficulte. Zu den verschiedenen Rechtstraditionen siehe Gonthier,
Chätiment, S. 71-89.
1? Gauvard, De la difficulte, S. 98-101. Zu diesen oft gewaltlosen Strafformen siehe Gonthier,
Chätiment, S. 111-126. Zum Rechtsverfahren am Pgrkwt'D: Carbonnieres, La procedure.
i3 Statistische Auswertung bei Gauvard, Grace especial, S. 65.
i9 Ebd., S. 904—912; Gauvard, Humanistes, S. 226-230.
30 Ediert als Registre criminel. Zu Cachemaree siehe S. 66, Anm. 91.
 
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