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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0013
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Kapitel I

beherrschte im hochmittelalterlichen Reich in der Regel kein Latein und
konnte auch in der Volkssprache weder lesen noch schreibend Eine
entsprechende Bildung hatten am Hof am ehesten noch Geistliche, etwa
Mitglieder der einzelnen herrschaftlichen Kanzleien, die für Schreibtätig-
keiten herangezogen wurdend Zu ihnen traten seit dem Spätmittelalter
verstärkt sogenannte gelehrte Räte, meist universitär gebildete Theologen
oder Juristen, die im Dienst der einzelnen Landesherren standend Zudem
konnten Räte und Schreiber für Fürsten fremdsprachliche Urkunden,
Verträge und Briefe aufsetzen oder übersetzen. Mündliche Verhandlungen
konnten mit Hilfe sprachkundiger Dolmetscher geführt werdend
Ein Fürst hatte also Personen in seinem Umfeld, die Schreib- und
Ubersetzungsaufgaben für ihn erledigen konnten. Trotzdem wurden von
gelehrter Seite seit dem 12. Jahrhundert immer wieder ungebildete Herrscher
als »gekrönte Esel« angeprangertd Ausgehend vom Ideal eines
lateinkundigen Fürsten, der durch seine Bildung zu einem besseren Herrscher
werden sollte, wurde dieser Topos bis ins 16. Jahrhundert vor allem in
Fürstenspiegeln weitergetragend Das dem Habsburger Ladislaus Postumus
gewidmete Werk De üheromm des Enea Silvio Piccolomini von 1450
zeigt dies beispielhaft: ad uzrfMfem aidem capescendam dheramm sh/dza
plunmum ad/Mmenh present, nee CMä?Mam magzs t?Mam regz doefnna congnufd
Forderungen dieser Art setzten sich allerdings an den fürstlichen Höfen
bis ins 15. Jahrhundert nur punktuell durch. Anders als der nichtfürstliche
Hochadel und besonders der Niederadel konkurrierten Herzoge oder
Markgrafen keinesfalls mit bürgerlichen gelehrten Räten um Ämter und
Prestige an Höfen.'" Die Reichsfürsten hatten sich im Spätmittelalter noch
stärker als zuvor von ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrem Konnubium
her vom restlichen Adel abgesetzt." Häufig befanden sich Niederadlige, aber

^ Ausnahmen bildeten meist jene Herrscher, die für eine geistliche Laufbahn, etwa als Bischof,
vorgesehen waren; detailliert hierzu GRUNDMANN, Litteratus - Illiteratus, S. 11-13; zur adligen
Bildung im Früh- und Hochmittelalter auch SCHREINER, Bildung als Norm adliger Lebensfüh-
rung, S.199-202.
^ Siehe hierfür etwa am Beispiel der Wittelsbacher HOFMANN, Urkundenwesen.
^ Hierzu sowie zur Definition des Begriffs gelehrter Rat BOOCKMANN, Zur Mentalität spätmittel-
alterlicher gelehrter Räte; BOEHM, Konservatismus und Modernität, S. 67-69; SCHIRMER, Gelehrte
Räte.
6 Zur Möglichkeit von Fürsten auf entsprechend gebildete Räte zurückgreifen zu können SPIEß,
Zum Gebrauch von Literatur, S. 90.
? Beispiele zum rex iNifenüMS HshiMS coro?MfMS bei WAGNER, Pnüceps PhenüMS HMf iihfenüMS?,
S. 146.
s Ebd., S. 146-147.
9 NELSON, Aeneae Silvii De Liberorum Educatione, S. 92.
Vgl. zur seit ca. den 1430er Jahren verstärkt einsetzenden Konkurrenz zwischen nichtfürstli-
chem Adel und den bürgerlichen gelehrten Räten BOEHM, Konservatismus und Modernität,
S. 67-68; MÜLLER, Norm und Praxis adliger Bildung, S. 147.
ii SPIEß, Fürsten und Höfe, S. 12-16.
 
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