Einleitung
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auch Grafen und Herren, als Vasallen oder Amtleute im Umfeld ihrer HöfeA
Ohnehin unterschied sich die Rolle, auf die ein späterer Fürst durch seine
Erziehung und Ausbildung vorbereitet wurde, deutlich von der eines Grafen
oder eines Ritters^, ganz zu schweigen von der eines Bürgerlichen.^ Die
deutschen Reichsfürsten waren die herausragenden Glieder des Reichs, deren
Erziehung und Ausbildung, in der die Grundlagen für die Behauptung und
Darstellung ihres gesellschaflichen Rangs gelegt wurden, von besonderer Be-
deutung war.
Die Goldene Bulle von 1356 hatte bereits die Bestimmung getroffen, dass
die Söhne der Kurfürsten neben Deutsch auch Latein, Italienisch und
Slawisch erlernen sollten. Insgesamt blieb sie allerdings mehr Wunschdenken
des angeblich fünf Sprachen sprechenden Kaisers Karl IV., als dass wirklich
eine Chance bestand, dieses Ansinnen umzusetzen.^ Tatsächlich konnten die
meisten weltlichen Fürsten des Reichs erst zur Mitte des 15. Jahrhundert hin
in der Volkssprache lesen und schreiben.^ Etwa seit derselben Zeit erhielten
Fürstensöhne auch Lateinunterricht.
Warum wurde von der jahrhundertealten Praxis abgewichen, dass
Fürsten das Wissen um diese Sprache den am Hof tätigen Schreibern und
Räten überließen? Wagner weist darauf hin, dass der Anpassungsdruck auf
die Fürsten, Bildung zu erlangen vor allem von den Gelehrten ausging,
welche die mangelnden Sprachfertigkeiten der Herrscher kritisierten.^ Auch
die Motivation der Reichsfürsten selbst dürfte einen Einfluss auf die
Veränderung des Erziehungs- und Ausbildungskanons gehabt haben. Der
seit dem 14. Jahrhunderts im Reich stärker rezipierte Humanismus und das
Römische Recht veränderten wahrscheinlich auch auf fürstlicher Seite das
Idealbild eines Herrschers.^ Die von den Humanisten propagierte Erziehung
durch die »zum Ideal erhobene[...] Synthese von rhetorischer Sprach- und
philosophischer Geistesbildung«^ etablierte sich zumindest teilweise an den
fürstlichen Höfen. Zudem erforderten wohl auch die Verschriftli-
12 Vgl. zu diesen Entwicklungen auch mit einem Fokus auf die Frühe Neuzeit WALTHER, Freiheit,
Freundschaft, Fürstengunst, S. 306-307.
12 FOUQUET, »begehr nit doctor zu werden, und habs Gott seys gedanckht, nit im Sünn«, S. 98-99.
11 Die Erziehung der Kinder der Berner Ratsgeschlechter, vor allem in Stadtschulen und an
Universitäten, war stark auf die praktische Verwendbarkeit der Bildung in Verwaltung und
Diplomatie ausgerichtet; vgl. ZAHND, Die Bildungsverhältnisse in den bernischen
Ratsgeschlechtern, insbesondere S. 26-40; zur Bildung spätmittelalterliche Kaufleute FOUQUET,
>Kaufleute auf Reisern.
12 FRITZ, Die Goldene Bulle Karls IV. vom Jahre 1356, c. 31, S. 90. Zur Festlegung der einzelnen
Sprachen in der Goldenen Bulle FAWO, Sprachen der Macht, S. 535-538; WAGNER, PÜHceps
PPendMS HMf iFÜendMS?, S. 153-154.
12 Zur Fiterarisierung des Adels im Reich um die Mitte des 15. Jahrhunderts FOUQUET, Fürsten
unter sich, S. 172.
12 WAGNER, Präiceps PPendMS HMf iPPenifMS?, S. 177. Zur Gleichsetzung des Begriffs FPendMS mit
der Kenntnis der lateinischen Sprache im Mittelalter GRUNDMANN, Fitteratus - Üliteratus, S. 3-6.
12 BOEHM, Konservatismus und Modernität, S. 70-71.
i9 FANDFESTER, Historia magistra vitae, S. 28.
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auch Grafen und Herren, als Vasallen oder Amtleute im Umfeld ihrer HöfeA
Ohnehin unterschied sich die Rolle, auf die ein späterer Fürst durch seine
Erziehung und Ausbildung vorbereitet wurde, deutlich von der eines Grafen
oder eines Ritters^, ganz zu schweigen von der eines Bürgerlichen.^ Die
deutschen Reichsfürsten waren die herausragenden Glieder des Reichs, deren
Erziehung und Ausbildung, in der die Grundlagen für die Behauptung und
Darstellung ihres gesellschaflichen Rangs gelegt wurden, von besonderer Be-
deutung war.
Die Goldene Bulle von 1356 hatte bereits die Bestimmung getroffen, dass
die Söhne der Kurfürsten neben Deutsch auch Latein, Italienisch und
Slawisch erlernen sollten. Insgesamt blieb sie allerdings mehr Wunschdenken
des angeblich fünf Sprachen sprechenden Kaisers Karl IV., als dass wirklich
eine Chance bestand, dieses Ansinnen umzusetzen.^ Tatsächlich konnten die
meisten weltlichen Fürsten des Reichs erst zur Mitte des 15. Jahrhundert hin
in der Volkssprache lesen und schreiben.^ Etwa seit derselben Zeit erhielten
Fürstensöhne auch Lateinunterricht.
Warum wurde von der jahrhundertealten Praxis abgewichen, dass
Fürsten das Wissen um diese Sprache den am Hof tätigen Schreibern und
Räten überließen? Wagner weist darauf hin, dass der Anpassungsdruck auf
die Fürsten, Bildung zu erlangen vor allem von den Gelehrten ausging,
welche die mangelnden Sprachfertigkeiten der Herrscher kritisierten.^ Auch
die Motivation der Reichsfürsten selbst dürfte einen Einfluss auf die
Veränderung des Erziehungs- und Ausbildungskanons gehabt haben. Der
seit dem 14. Jahrhunderts im Reich stärker rezipierte Humanismus und das
Römische Recht veränderten wahrscheinlich auch auf fürstlicher Seite das
Idealbild eines Herrschers.^ Die von den Humanisten propagierte Erziehung
durch die »zum Ideal erhobene[...] Synthese von rhetorischer Sprach- und
philosophischer Geistesbildung«^ etablierte sich zumindest teilweise an den
fürstlichen Höfen. Zudem erforderten wohl auch die Verschriftli-
12 Vgl. zu diesen Entwicklungen auch mit einem Fokus auf die Frühe Neuzeit WALTHER, Freiheit,
Freundschaft, Fürstengunst, S. 306-307.
12 FOUQUET, »begehr nit doctor zu werden, und habs Gott seys gedanckht, nit im Sünn«, S. 98-99.
11 Die Erziehung der Kinder der Berner Ratsgeschlechter, vor allem in Stadtschulen und an
Universitäten, war stark auf die praktische Verwendbarkeit der Bildung in Verwaltung und
Diplomatie ausgerichtet; vgl. ZAHND, Die Bildungsverhältnisse in den bernischen
Ratsgeschlechtern, insbesondere S. 26-40; zur Bildung spätmittelalterliche Kaufleute FOUQUET,
>Kaufleute auf Reisern.
12 FRITZ, Die Goldene Bulle Karls IV. vom Jahre 1356, c. 31, S. 90. Zur Festlegung der einzelnen
Sprachen in der Goldenen Bulle FAWO, Sprachen der Macht, S. 535-538; WAGNER, PÜHceps
PPendMS HMf iFÜendMS?, S. 153-154.
12 Zur Fiterarisierung des Adels im Reich um die Mitte des 15. Jahrhunderts FOUQUET, Fürsten
unter sich, S. 172.
12 WAGNER, Präiceps PPendMS HMf iPPenifMS?, S. 177. Zur Gleichsetzung des Begriffs FPendMS mit
der Kenntnis der lateinischen Sprache im Mittelalter GRUNDMANN, Fitteratus - Üliteratus, S. 3-6.
12 BOEHM, Konservatismus und Modernität, S. 70-71.
i9 FANDFESTER, Historia magistra vitae, S. 28.