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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0021

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10

Kapitel I

intellektuelle Moment von >Erziehung< [...] unberücksichtigt« lässt.6° Eine
Definition aus der lateinischen Begrifflichkeit heraus hat daher stets mit dem
Problem der terminologischen Unschärfe zu kämpfen.
Die bisherige Forschung hat zur Lösung dieses Problems nur wenige
Ansatzpunkte geliefert. So sieht Menzel in der höfischen Erziehung »sowohl
die bewußte Schulung und Ausbildung durch Dritte, als auch die Prägung
und Beeinflußung durch das umgebende Umfeld.«^ Deutschländer geht im
Gegensatz hierzu davon aus, dass der Begriff Erziehung vor allem die
»bewusste Beeinflussung durch Andere« in den Mittelpunkt stellt, während
er den Terminus Bildung als weiten Begriff für den allgemeinen Erwerb von
Wissen nutzt A
Erziehung ist allerdings nur eine Teilkomponente im Prozess des
fürstlichen Wissenserwerbs. Besonders die Imitation und Internalisierung von
Handlungweisen, die nicht unter Anleitung von Dritten erfolgte, lässt sich
unter diesem Begriff kaum fassen. Als allgemeiner übergreifender Terminus
biete sich die höfische Sozialisation an, da hierunter alle Arten fürstlicher
Wissensinternalisierung verstanden werden könnenA Sie umfasst neben der
stets durch Lehrende vorgenommenen Erziehung und Ausbildung der
zukünftigen Herrscher auch jene Arten von Wissenserwerb, die außerhalb
dieser beiden Bereiche stattfand, etwa durch die Imitation von
Verhaltensweisen ohne Anleitung. Erziehung wird im Folgenden als
Vermittlung von Wissen durch Dritte mit dem Ziel der Unterweisung und
Schulung definiert. Ausbildung wird verstanden als die Vermittlung von
Wissen durch Dritte im Hinblick auf eine spezifische Tätigkeit oder Fertigkeit,
etwa eine Ausbildung im Fechten, Reiten oder Schwimmen.

1.3 Forschungsstand

»Die Prinzenerziehung an den deutschen Höfen ist noch immer ein
ForschungsdesideraUA Dieses Urteil Laetitia Boehms hat auch nach mehr als
einem Vierteljahrhundert nichts von seiner Aktualität verloren, stand doch

60 BAHMER, Erziehung, rhetorische, Sp. 1439. Zur Begrifflichkeit, die auch die Tieraufzucht
einschließt, vgl. GEORGES, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. Bd. 1, Sp. 2339;
Mittellateinisches Wörterbuch. Bd. 3, Sp. 1101-1106 (edMCHÜo, ec?MCo). Anders mit Verweis auf die
antike Tradition der edMCHÜ'o GRAFTON/jARDINE, From Humanism to the Humanities, S. 1.
MENZEL, Der Fürst als Feldherr, S. 13.
62 DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, S. 20.
60 Sozialisation wird verstanden als »die grundlegende und allseitige Einführung des
Individuums in die objektive Welt einer Gesellschaft oder eines Teils einer Gesellschaft«;
BERGER/LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, S. 140-141. Ablehnend
gegenüber dem Gebrauch des Begriffs höfische Sozialisation DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen,
S. 20.
64 BOEHM, Konservatismus und Modernität, S. 79.
 
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