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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0156

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Personelles Umfeld

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betreute, war wie Hieronymus von Croaria unter den Hofmeistern eine Aus-
nahme, hatte er doch den Doktor beider Rechte erworben.^
Die zeitgenössischen Charakterisierungen der Hofmeister deuten darauf
hin, dass vor allem Personen bestallt wurden, denen moralische Integrität,
Eloquenz und Erfahrung zugeschrieben wurden. Die aufgezeigten Beispiele
machen deutlich, dass es sich in der Regel um im höfischen Leben oder in der
fürstlichen Verwaltung erfahrene Niederadlige handelte. Sie waren bereits
vor ihrer Erziehertätigkeit als Räte, Gesandte, Amtmänner oder in ähnlicher
Funktion Teil der jeweiligen höfischen oder territorialen Funktionselite ge-
wesen.^ Das genaue Alter der Hofmeister beim Antritt ihrer Tätigkeit lässt
sich aufgrund fehlender Geburtsdaten selten genau eruieren. Es handelte sich
jedoch, wie die bereits zurückliegenden Karrierestationen im Umfeld der
jeweiligen Höfe aus weisen, wahrscheinlich um Personen im Alter zwischen
40 und 60 Jahren. Hinweise auf eine spezifisch didaktische Expertise der
einzelnen Hofmeister lassen sich in den Quellen nicht finden. Wie die
eingangs vorgestellten Beispiele zeigen, war es eher die Zuschreibung
besonderer Charakterfestigkeit und eine langjährige Tätigkeit im Umfeld des
jeweiligen Hofs, die für die Auswahl entscheidend waren.

VI.2.2 Stellung und Aufgaben
Die Aufgabe eines Hofmeisters war neben der Unterweisung des jungen
Fürsten in höfischen Dingen vor allem die Aufsicht über ihn und die
Personen in seinem Umfeld. Diese Funktion hat allerdings in den meisten
Fällen keinen Niederschlag in den höfischen Quellen gefunden. Reflexionen
zu ihrer Tätigkeit sind auf Seiten der Hofmeister nicht überliefert. Fehlende
Schreib- oder Lesekenntnisse der adligen Funktionsträger im Untersu-
chungszeitraum sind als Begründung hierfür eher unwahrscheinlich. Aus-
schlaggebend für den Mangel an Ego-Dokumenten auf Seiten der Hofmeister
ist wahrscheinlich eher die Tradition mittelalterlicher Adelserziehung: Die
jungen Fürsten erlernten ein über viele Jahrhunderte mündlich tradiertes
Zeichen- und Wertesystem, welches nie umfassend verschriftlicht worden
war. Hinzu kommt, dass ein am heimischen Hof eines Fürsten tätiger
Hofmeister einen Großteil der ihm gegebenen Anweisungen durch das

STÄLIN, Beiträge zur Jugendgeschichte, S. 471.
820 in der Forschung ist der Begriff Funktionselite wiederholt gebraucht, jedoch stets auf eine
Definition verzichtet worden; siehe beispielsweise SCHIRMER, Untersuchungen zur
Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzoge von Sachsen; SCHIRMER, Kursächsische
Staatsfinanzen; HESSE, Amtsträger der Fürsten. Als Funktionselite wird in Anlehnung an
Schieders Definition von Führungsschichten in der Frühen Neuzeit (SCHIEDER, Zur Theorie der
Führungsschichten, S. 15) eine Gruppe verstanden, die aufgrund ihrer wirklichen oder
zugeschriebenen Fähigkeiten oder ihrer Herkunft oder Geburt herausgehobene Tätigkeiten in
einem Territorium oder an einem fürstlichen Hof wahrnahm. Zur Tätigkeit vor allem des
niederen Adels in der fürstlichen Verwaltung im Spätmittelalter siehe HESSE, Amtsträger der
Fürsten, S. 218-226.
 
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