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Müsegades, Benjamin
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0220

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VII. Inhalte und Methoden reichsfürstlicher
Erziehung und Ausbildung

VII. 1 Zwischen Kritik und Überhöhung - Möglichkeiten der
W issensrekonstruktion

Der Grad der Beherrschung von Wissen und Fertigkeiten lässt sich nur
schwer messen. Dies gilt für die Gegenwart und in noch stärkerem Maße für
vormoderne Gesellschaften. Eine Untersuchung und Kategorisierung des
Wissens und der Fertigkeiten, welche Reichsfürsten im Spätmittelalter und zu
Beginn der Frühen Neuzeit erwarben, kann daher als Ergebnis stets nur einen
Annäherungswert liefern. Ist es ohnehin schwierig, den Umfang, in dem ein
Wissenskorpus durchdrungen und eine Fähigkeit gemeistert wird, ange-
messen zu rekonstruieren, so wird dies durch die Quellenlage zum Thema
noch zusätzlich erschwert.Wie die Protagonisten, so sind auch die Inhalte
reichsfürstlicher Erziehung und Ausbildung in den zeitgenössischen Quellen
meist nur ein Nebenaspekt. Die scheinbare Nebensächlichkeit einzelner
Belege bedeutet jedoch keinesfalls, dass deren Aussage generell unkritisch
übernommen werden sollte.
Die besonders im Umfeld der Höfe entstandene Historiographie und seit
der Reformation verstärkt Feichenpredigten hatten nicht die Absicht, ein
unverstelltes Bild des Fürsten zu liefern, sondern porträtierten diesen häufig
als in ritterlichen Tugenden, im christlichen Glauben oder in den Kenntnissen
der ühenze besonders herausragend oder unwissend.^ Entsprechende
Darstellungen mussten nicht Erfindungen von Geschichtsschreibern oder
Klerikern sein, allerdings erschweren die Eigenheiten der beiden Quellengat-
tungen häufig die Untersuchung von Erziehungs- und Ausbildungsinhalten.
Andere Quellen, wie Fürstenspiegel, Erziehungsinstruktionen oder
Lehrbücher, bilden vor allem normative Vorstellungen ab.
Im Zusammenspiel mit weiteren Zeugnissen können diese Quellen stets
nur einen Ausschnitt des vermittelten Wissens und der angeeigneten Fertig-
keiten wiedergeben Einzelne Bereiche bleiben ganz verschlossen. Darüber,

1212 Siehe zur Quellenlage Abschnitt 1.5.
i2i2 Zur Intention von Geschichtswerken aus dem höfischen Umfeld, insbesondere im Spätmit-
telalter, PATZE, Mäzene, besonders S. 359-370; lOHANEK, Die Schreiber; KERSKEN, Auf dem Weg
zum Hofhistoriographen. Zum Quellenwert von Leichenpredigten und ihrer Widerspiegelung
des protestantischen Menschenbilds siehe LENZ, Gedruckte Leichenpredigten, S. 44-46.
1214 Zur Schwierigkeit, fürstliches Wissen zu rekonstruieren, auch DEUTSCHLÄNDER, Dienen
lernen, S. 62-63.
 
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