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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0235

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Kapitel VII

Die aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass der Begriff des
höfischen Wissens eine Vielzahl von Bereichen einschloss. Es handelte sich
zudem inhaltlich keinesfalls um ein statisches Feld. Zwischen einzelnen
Höfen konnte die Ausgestaltung der Inhalte erheblich variieren und selbst
innerhalb eines geographischen Raums dürften diese durch Moden oder
Herrscherwechsel Veränderungen unterworfen gewesen sein. Gerade mit
anderen Bereichen des adligen Wissenskorpus war das höfische Wissen eng
verflochten. Ein Fürst brauchte für das Tanzen neben der Kenntnis der
richtigen Verhaltensweisen auch eine entsprechende Körperbeherrschung.
Das angemessene höfische Verhalten gegenüber Niederrangigen berührte
auch Aspekte des Herrschaftswissens.

VII.3.3 Herrschaftswissen
Der herausragende Legitimationsgrund fürstlicher Erziehung und
Ausbildung war die Vorbereitung auf die Ausübung von Herrschaft. Der
Zeitpunkt, zu dem aus einem jungen Fürsten das Oberhaupt der
Versorgungsfamilie wurde, war schwer vorherzubestimmen. Bestand keine
Vormundschaft, war der Tod des Vorgängers, meist des Vaters, der
Zeitpunkt, zu dem ein Herrscherwechsel vollzogen wurde. Gerade weil der
Zeitpunkt des Regierungsantritts unklar blieb, musste ein junger Fürst
bestmöglich auf diesen vorbereitet werden.'^ Buchstäblich von einem Tag
auf den anderen musste er über den heimischen Hof gebieten, sich seiner
Familie annehmen, Lehen vergeben, an exponierter Stelle sein Haus vertreten,
Kriege führen oder Verträge schließend^
Das für diese Tätigkeit erforderliche Wissen konnte er auf mehrere Arten
erwerben. Eine Möglichkeit war die Aneignung durch Anschauung und
durch eigene, begrenzte Herrschaftsausübung. Den meisten späteren
Herrschern war die letztere Möglichkeit durch den ihnen zugewiesenen
kleinen Hofstaat gegeben, durch den sie bereits in jungen Jahren erste
Erfahrungen in herausgehobener Stellung sammeln konnten. Am heimischen
Hof, aber wahrscheinlich noch stärker auf sich alleine gestellt bei
Aufenthalten an Universitäten oder bei einem auswärtigen Fürsten, mussten
sie sich unter anderem gegen ihre Diener behaupten lernend^ Die Erfahrung
der Unterordnung und die dadurch im Optimalfall erfolgte Sensibilisierung
gegenüber den Konsequenzen von Machtausübung dürfte einer der Gründe
für den Aufenthalt an fremden Höfen gewesen sein, was Gerrit
Deutschländer im Titel seiner Arbeit zur Adelserziehung auf die eingängige
Formel »Dienen lernen, um zu herrschen« gebracht hat.^ss

1285 Hierzu auch SPIEß, Fürsten und Höfe im Mittelalter, S. 25-26.
1286 Zur Performanz fürstlicher Regierungspraxis REINLE, Herrschaft durch Performanz?.
1287 siehe hierzu auch Kapitel VI sowie DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, S. 43.
1288 DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, passim.
 
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