Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0104
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II.2 Themen und Hintergründe

103

des Mailänder Erzbischofs zur Erhebung der Stadtbevölkerung gegen die Pa-
taria führte.517 Nachdem Landulf bereits 1061 oder 1062 vermutlich an den
Spätfolgen von Misshandlungen durch die Patarenergegner gestorben war,
wurde 1066 auch Ariald verfolgt und ermordet.518 Weder Alexanders II. hoff-
nungsvolle und ermahnende Briefe an Klerus und Volk von Mailand noch die
bereits 1064 erfolgte Übertragung einer Art spirituellen Vasallität auf die Pata-
rener konnte die Gemüter befrieden.519 Um einer weiteren Eskalation der bereits
bürgerkriegsähnlichen Zustände520 entgegenzuwirken, sandte Alexander II.
1067 eine dritte päpstliche Legation unter Führung des Kardinalbischofs Mai-
nard von Silva Candida und Johannes Minutus, Kardinalpriester von S. Maria in
Trastevere, welche einerseits den patarenischen Liturgiestreik sowie die laikale
Einmischung verurteilte, Klerus und Bischof andererseits jedoch auch die
strengere Befolgung kanonischer Vorschriften befahl.521
Ein derartiges Lavieren des Papsttums von Stephan IX. bis Alexander II.
zwischen prinzipieller Unterstützung moralischer und organisatorischer Re-
formziele der Patarener, dem Diskurs über die Beteiligung von Laien am Re-
formprozess sowie machtpolitische Interessen verkomplizierte die Gemengela-
ge zusätzlich. Denn die oberitalienischen Städte einte vordergründig zwar die
Opposition gegenüber den zentralistischen Vorstellungen des Papsttums522 - viel
tiefer aber lagen Spannungen innerhalb des Klerus, mit seinem jeweiligen Bi-
schof sowie zwischen diesem und den aufstrebenden Händlern und adligen
Grundbesitzern. Der Intensität dieser grundlegenden Spannungen entspre-
chend gestaltete sich auch der Erfolg der patarenischen Bewegung in Mailand,
Cremona, Piacenza und Florenz.523 Letztlich scheiterte die Mailänder Pataria in

517 Vgl. ebd., S. 62f., 67; speziell zu den Meineiden Petrus Damiani, Briefe 3, Nr. 129, S. 433, Z. 9-12.
Alexandri II epistolae, Nr. 93f., Sp. 1383.
518 S. oben Anm. 509.
519 Vgl. IP 6,1, S. 111, Nr. 17 und S. 112, Nr. 20; Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 84, S. 453-455 (Damiani
im Auftrag Alexanders II.). Ariald und Landulf erhielten in Rom die Erlaubnis, ihre Aktionen
fortzusetzen (Andrea di Strumi, Vita s. Arialdi 7, S. 1054), da die Pataria nicht unabhängig vom
Heiligen Stuhl sein wollte, so Violante, Laicil972, S. 206-208.-Zur Vasallität vgl. ebd., S. 193-196,
besonders S. 195.
520 Vgl. Petrus Damiani, Briefe 2, Nr. 70, S. 311, Z. 15f.; Fliehe, Reforme 1924, S. 358.
521 IP 6,1, S. 48, Nr. 99. Zu Mainard vgl. Hüls, Kardinäle 1977, S. 134-136, zu Johannes Minutus S.
187f.; zur Legation selbst Miccoli, Chiesa 1999, S. 205-212. - In der Verurteilung laikaler Rich-
terfunktionen sah Zumhagen, Konflikte 2002, S. 66 eine Distanzierung der römischen Legaten,
weil diese Angst vor den unabsehbaren Konsequenzen der Laienaktivierung hatten: Diese hätte
von Selbsthilfe durchaus zu Antiklerikalismus umschlagen können. - Zum „sciopero liturgico",
dem Liturgiestreik, zuerst da Milano, Eresie 1947, S. 82.
522 Vgl. Zumhagen, Konflikte 2002, S. 135f., 178; W. Goez, Riforma 1989, S. 175f.
523 Für Piacenza, wo offenbar größere Schwierigkeiten für die Durchsetzung der Pataria bestanden,
seien laut Zumhagen, Konflikte 2002, S. 158 keine Konfliktstrukturen überliefert. - Für Brescia
hingegen beschrieb er S. 138, wie der Klerus seinen Bischof angegriffen haben soll, als dieser die
antinikolaitischen und antisimonistischen Beschlüsse der römischen Synode 1059 verkündete.
Das Ansehen der Brescianer Patarener stieg in der Folgezeit mittels gezielter Agitation in dem
Maße, in dem Bischof Adelmann an der Durchsetzung gegen seinen Klerus scheiterte. Mit
Adelmanns Tod 1061 und seinem Nachfolger habe in Brescia die Reihe der romfeindlichen
Bischöfe begonnen. S. dazu unten Abschnitt VI.2.2.3. - Im benachbarten Cremona wiederum
 
Annotationen